Wie die Wolken regnen lernen

Wolken regnen

Wissenschaftler werden Regenmacher: Mit Salzkristallen wollen sie Wolken endlich zum Regnen zu bringen.

Seit biblischen Zeiten plagen Dürren die Menschen. Mit der globalen Erwärmung könnte der Regen in vielen Trockengebieten bald noch spärlicher fallen. Grund genug, der Wettermaschine ins Räderwerk zu greifen. Seit Jahrhunderten versuchen Schamanen und Zauberer, das Wetter zu beeinflussen. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten Wissenschaftler dem Regenmacherklub bei: Sie wollten Wolken zum Abregnen zwingen, indem sie Silberjodid und Trockeneis hineinsprühen. Sie hatten damit aber bislang kaum mehr Erfolg als mittelalterliche Zauberer mit ihrem Hokuspokus. Den stichhaltigen Nachweis über die Wirksamkeit ihrer atmosphärischen Machenschaften blieben auch sie bis heute schuldig.

Doch jetzt schöpfen sie neue Hoffnung. «Erstmals seit 25 Jahren herrscht wieder eine positive Atmosphäre», sagt der kanadische Atmosphärenphysiker Roland List, ehemaliger Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Wettermodifikation in der World Meteorological Organisation.
Das neue Verfahren, das die Regenmacher aufatmen lässt, kam durch Zufall ans Licht. Der inzwischen verstorbene Graeme Mather, südafrikanischer Alt-meister der Wolkenmelker, experimentierte 1988 mit Trockeneis, als er im Beobachtungsflugzeug in eine ungewöhnliche Wolke geriet: Fette, regenschwere Tropfen klatschten gegen die Windschutzscheibe statt der Hagelkörner, die Mather in einer solchen Wolke erwartet hätte und die fast nie zu Regen führen.
Noch überraschter war er, als er die Ursache für den nassen Sonderling ausgemacht hatte: Die Wolke war zuvor über die Abgasfahne einer Papierfabrik gedriftet. Aus deren Schlot quollen winzige Salzkristalle aus Kalium- und Natriumchlorid, die als Kondensationskeime die Tropfenbildung anschoben.

Wie das Küchensalz im Streuer saugten die Partikel die Feuchtigkeit auf, so dass rascher als in normalen Wolken grosse Tropfen heranwuchsen. Das Tempo macht den Erfolg aus, denn eine typische Kumuluswolke löst sich schon nach einer halben Stunde wieder in Nichts auf. Wenn die Tropfen bis dahin nicht fett und schwer genug sind, um zur Erde zu fallen, bleibt der Regen aus.
Die Wasser saugenden Salze funktionieren ganz anders als die bisher verwendeten Regenbeschleuniger Silberjodid und Trockeneis. Die entfalten ihre Wirkung in den oberen Wolkenstockwerken, wo oft Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt herrschen. Sie brauchen unterkühltes Wasser, also Tropfen, die trotz schneidender Kälte nicht gefrieren.
Wasser bleibt bis minus 40 Grad flüssig, wenn Keime fehlen, an denen sich Eiskristalle bilden können. Silberjodid ist so ein Kristallisationskeim, der das unterkühlte Wasser schlagartig in Eis und Schnee verwandelt. Mit seiner Hilfe, so die Theorie, entstehen viele schwere Kristalle – und damit viele Tropfen und schliesslich viel Regen.

Die Praxis sieht anders aus. Anfang der Achtzigerjahre wurde in Spanien ein Experiment nach zwei Jahren ergebnislos abgebrochen, weil «nur ganz wenige Wolken unterkühltes Wasser enthielten», erinnert sich Atmosphärenphysiker Hans-Heinrich Schiesser von der ETH Zürich. Schon vorhandene Kristallisationskeime in der Luft waren dem Silberjodid zuvorgekommen: Sie hatten alles unterkühlte Wasser bereits in Eis verwandelt. Bei Versuchen in anderen Ländern stimmten zwar die Voraussetzungen, aber der Regen blieb dennoch aus.

Trotz der Schlappen haben viele kommerzielle Unternehmen das umstrittene Verfahren in ihrem Angebot und verdienen Millionen mit der Regenmacherei. Die kalifornische Firma Atmospherics erledigt Aufträge auf der ganzen Welt, ob in einigen US-Bundesstaaten, in Indonesien, Costa-Rica oder Griechenland. Weltweit setzen mehr als 40 Länder auf die zweifelhafte Kunst der Wettermanipulation – für den kanadischen Experten Roland List ein Fall für die Psychologen: Wenn die Ernte verdorrt und das Trinkwasser rationiert werden muss, greifen Landwirte und Politiker nach jedem Strohhalm. Tatsächlich scheint der Erfolg den Regenmachern Recht zu geben, denn jede Dürre geht irgendwann von selbst zu Ende. List: «Ein guter Geschäftsmann steigt rasch aus, wenn der Regen kommt.»
Mather und sein Team vom Forschungsunternehmen Cloudquest stellten 1990 ihre Vorräte an Silberjodid und Trockeneis ins Depot und experimentieren seitdem nur noch mit Salzkristallen. Nach jahrelangen Tests kamen sie zum Ergebnis, dass geimpfte Wolken 30 Prozent mehr Regen produzieren als unbehandelte. Der Erfolg liess die Branche aufhorchen, so dass ein internationales Wissenschaftlerteam 1996 in Mexiko in das neue Verfahren einstieg.

Die Forscher aus den USA und Mexiko liessen sich etwas einfallen, um die Wirksamkeit ihrer Impfaktion sicher nachzuweisen. Sie machen es wie die Pharmafirmen beim Pillentest: mit Blindversuch und Plazebo. Der Pilot steigt auf, ohne seinen Auftrag zu kennen. Erst wenn er eine geeignete Wolke findet, öffnet er einen Umschlag mit der aktuellen Anweisung. Ganz gleich, ob er auf den Sprühknopf drückt oder nicht – er bleibt auf Kurs. So ist für seine Kollegen am Boden, die mit Radargeräten die Niederschlagsmenge jeder Wolke messen, nicht zu unterscheiden, ob eine bestimmte Wolke geimpft wird oder nicht.

Die Versuche, die nächstes Jahr abgeschlossen sein werden, scheinen erfolgreich. «Unsere Ergebnisse sind wahrscheinlich besser als die in Südafrika», sagt Roelof Bruintjes vom Nationalen Zentrum für Atmosphärenforschung der USA, das am Versuch in Mexiko beteiligt ist. Doch die Menschen in Dürregebieten können noch nicht aufatmen. Was in kleinen Kumuluswolken funktioniert, muss noch lange nicht grossflächig klappen, wie es für die Landwirtschaft nötig wäre.
Die Sorge mancher Juristen, dass eine Region der anderen mit Hightech den Regen stiehlt, ist also verfrüht. Zudem gibt es Zweifel an der Zuverlässigkeit der Radarmessungen. «Radar ist dumm», sagt List. Die reflektierte Strahlung gibt die Regenmenge nur zuverlässig wider, wenn man die Grössenverteilung der Tropfen kennt – und die lässt sich bislang nur grob abschätzen. Die Versuchsergebnisse haben also eine erhebliche Fehlertoleranz. Immerhin: Ökologen haben nichts zu mäkeln an der Regenmacherei. Die versprühten Salze richten keinen Schaden an, denn sie schweben ohnehin in der Atmosphäre – wenn auch in geringerer Konzentration und in anderen Korngrössen. Denn beim Verdunsten von Meerwasser gelangt ständig Kalium- und Natriumchlorid in die Luft. Eine Regenquelle, die die Natur seit jeher nutzt.

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