Schweizer Bank – Leserbrief mit Zündstoff

Schweizer Bank - Leserbrief mit Zündstoff

Die veröffentlichten Vorwürfe eines Kadermanns rufen die jüdischen Organisationen auf den Plan – und bringen die Schweizer Bank in eine heikle Lage.

Acht Hinweise, aber keiner ein Treffer. «Aktenzeichen XY … ungelöst» brachte letzte Woche die Behörden im Mordfall Abraham Grünbaum nicht weiter. Der Rabbi war am 7. Juni auf offener Strasse in Zürich erschossen worden.

Kurz nach den tödlichen Schüssen stellte sich die Frage, ob ein Antisemit auf den Rabbi gezielt hatte. Das Verbrechen wurde zum Politikum. Einer fand voreilig Erklärungen: «Die Saat Bronfmans, Steinbergs, Singers, Eizenstats, Hevesis … ist aufgegangen», schrieb Roger E. Schärer in einem Leserbrief in der «SonntagsZeitung» vom 1. Juli. Damit bezichtigte er Vertreter jüdischer Organisationen, indirekt für den Tod des Rabbis verantwortlich zu sein. Und er brachte den Mord in Zusammenhang mit der Diskussion um die nachrichtenlosen Konti auf Schweizer Banken.

Was Schärers Leserbrief besonders heikel macht: Er ist als «Head Executive Relations»-Direktor bei der Credit Suisse Group (CS). Bei der CS ist jetzt Feuer im Dach: Die jüdischen Organisationen in den USA reagierten entsetzt auf die Vorwürfe und intervenierten bei der Bank.
CS-Chef Lukas Mühlemann versuchte die Wogen zu glätten. In einem Entschuldigungsbrief an Israel Singer, den Generalsekretär des World Jewish Congress (WJC), kondolierte er zuerst zum Tod dessen Mutter – «wir denken an Sie und beten für Sie und Ihre Familie». Mühlemann entschuldigte sich dann für Schärers als antisemitisch empfundene Zeilen. «Seine unerhörten Feststellungen entsprechen keinesfalls der Position der CS … In unserem Unternehmen ist kein Platz für Bigotterie und Antisemitismus», versicherte er Singer.

Seit Ende letzter Woche auch der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) «die Klärung der Angelegenheit» forderte, gerät die CS zusehends unter Druck. Am Mittwoch letzter Woche, einen Tag nach Mühlemanns Entschuldigung beim WJC, begnügte sich die Bank noch damit, Schärer «einen Maulkorb» zu erteilen. Am Donnerstag schickte sie den Kadermann aber in die Ferien, «für längere Zeit», und reichte dann, am Freitagmorgen, eine verbale Abreibung nach: Schärer wurde vor die CS-Spitze zitiert, wo ihm die Chefs klar machten, dass seine Aussagen «in keiner Weise der Haltung des Unternehmens» entsprächen. «Schärer wurde angehalten, sich zu diesem Thema nicht mehr zu äussern», sagt CS-Pressechefin Karin Rhomberg.

Der Mann sitzt derzeit nervös in Südfrankreich und sucht nach einer Erklärung, weshalb er Juden als mitschuldig am Rabbi-Mord bezeichnete. Denn die klaren Worte Mühlemanns lassen darauf schliessen, dass dieser harte Massnahmen erwägt: «Ich versichere Ihnen», schrieb Mühlemann an Israel Singer, «dass wir angemessene disziplinarische Massnahmen ergreifen werden.» Schärers Stimme überschlägt sich, wenn er wortreich ausholt, die drei fatalen Sätze, die Juden und Banken in helle Aufregung versetzten, ins rechte Licht zu rücken: «Ich habe lediglich mein Verfassungsrecht der freien Meinungsäusserung wahrgenommen», sagt der gelernte Jurist. Der Mord an Rabbi Grünbaum sei für ihn «ein Schock» gewesen: «Ich habe mit diesem Brief Trauerarbeit geleistet.»

Er habe, sagt er, «viele jüdische Freunde». Wo er doch sogar seinen Kindern – blauäugig und blond, wie Schärer präzisiert – bewusst jüdische Namen gab: Sarah und Samuel. «Falls sie deshalb einst antisemitische Anwürfe erfahren», sagt der Familienvater, «ist das eine Charakterschule für sie.»

Über Bronfman, Steinberg und Singer schrieb der PR-Mann aus Herrliberg in der «SonntagsZeitung»: «Vergessen wir diese und orientieren uns an Rabin, Peres, Bloch und Feigel. Sie leuchten uns einen anderen, den richtigen Weg zum Judentum.» Peres sei ein guter Bekannter, sagt Schärer. Und sein Freund Rolf Bloch, der den «richtigen Weg zum Judentum» leuchten soll, Schweizer Chocolatier und Präsident des Schweizer Holocaustfonds, schrieb ihm dankbar zurück: «A friend in need is a friend indeed» (Ein Freund in Not ist ein echter Freund). Gegenüber FACTS bestätigt Bloch, von den negativen Reaktionen aus Amerika «überrascht» zu sein, Schärer habe es gut gemeint. Darum habe er ihm das geschrieben. Es sei «in einer schwierigen Lage immer gut, Leute auf seiner Seite zu wissen». Zu diesem Umfeld gehört auch der Zürcher SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer. Er steht «voll» zu Schärer. Und zu dessen Leserbrief. Historiker Schlüer geht mit Schärer eins, «dass man sich besser an Feigel und Bloch hält». Ein Antisemit, nein, das sei der Schärer sicher nicht.

Ob die Credit Suisse an Schärer festhält? Sie hätte einen triftigen Grund: Er hat Kontakte wie kein anderer im CS-Kader. Hartnäckig verfolgt er mit seiner leutseligen Art die Politprominenz, bis sie einwilligt, an einer CS-Conference vor Hunderten Geladenen über ihre Position und den globalen Wandel zu debattieren. Schärer, weiss man bei der CS, sei ein so Hartnäckiger, dass «er zum Fenster wieder hereinkommt, wenn man ihn zur Tür hinausgeschmissen hat». So holte Schärer Anfang Juli den deutschen Aussenminister Joschka Fischer in die Schweiz, so gewann er bereits 1998 den Exgeneralstabschef Colin Powell und lockte im März selbst Uno-Generalsekretär Kofi Annan nach Zürich-Oerlikon. Auf solch hochkarätige PR-Veranstaltungen mag die CS-Bank nicht verzichten – zumal Konkurrent UBS ihr das neidet.

Zurzeit diskutiere man, kommuniziert Karin Rhomberg die CS-Strategie zur Rettung Schärers, «wie seine Tätigkeit unter den Rahmenbedingungen der Credit Suisse Group künftig gestaltet werden kann».

In der CS, sagt Rhomberg, müssten eben die «Mitarbeiter nicht stromlinienförmig sein».

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