Israelische Skepsis nach Arafats Ankündigung eines Waffenstillstands
Galgenfrist für die palästinensische Behörde
Nach Arafats Ankündigung, dass auch die Palästinenser den Waffenstillstand akzeptieren würden, wartet Israel darauf, ob den Worten auch Taten folgen werden. Seiner Zusicherung wird hier jedoch mit grosser Skepsis begegnet.
Die israelische Regierung hat Yasir Arafat eine 24-stündige Galgenfrist gewährt, bevor die Armee mit präzedenzloser Schärfe gegen palästinensische Einrichtungen in den autonomen Gebieten vorgehen werde. Nach dem blutigsten Terrorattentat seit fünf Jahren – 19 Menschen kamen ums Leben, weit über hundert Jugendliche wurden zum Teil sehr schwer verletzt -, hatte das Kabinett am Samstag Morgen militärische Massnahmen gutgeheissen. Als aber das sogenannte Küchenkabinett – bestehend aus Ministerpräsident Sharon, Aussenminister Peres und Verteidigungsminister Ben-Eliezer – anschliessend die operationellen Details besprach, kam die Nachricht, dass Arafat nach einer Unterredung mit dem deutschen Aussenminister Joschka Fischer den Anschlag verurteilte und einen an keine Bedingungen geknüpften Waffenstillstand ankündigte. Trotz grosser Skepsis beschlossen die drei Minister daraufhin, Militäraktionen vorläufig noch auszusetzen. Der Palästinenserführer sollte Gelegenheit erhalten, seine Ankündigung umzusetzen. Im Laufe des Samstag kam es bei der Moschee «Hassan Bek», die sich in Tel Aviv just gegenüber dem Ort des Terrorattentates befindet, zu Demonstrationen aufgebrachter Israeli. Die Polizei nahm mehr als zwei Dutzend Manifestanten fest. In der Kabinettssitzung am Sonntag bestätigten die Minister den Beschluss, mit militärischen Reaktionen vorläufig weiter zuzuwarten.
Schlechte Erfahrungen Israels mit Arafats Zusicherungen
In Israel werden Arafats Worte mit Misstrauen aufgenommen, das bis zur Ungläubigkeit reicht. Peres erklärte, dass Arafats Worte unklar seien. Der einzige wahre Test seiner Absichten sei, ob der Ankündigung Taten folgen würden. In der Vergangenheit machte Israel mit Arafats Ankündigungen oft schlechte Erfahrungen. Zu Anfang der Intifada wartete der ehemalige Ministerpräsident Barak in Paris vergeblich auf die Unterzeichnung eines Dokumentes zu einem Gewaltverzicht. Einige Wochen später kamen die beiden Seiten überein, gleichzeitig Aufrufe zur Beendigung der Gewalt zu erlassen. Barak stand für die Fernsehsendung bereit, als sich herausstellte, dass Arafat keine Absicht hatte, der Abmachung Folge zu leisten. Jetzt besteht hier die Befürchtung, dass Arafats unter europäischem, amerikanischen und ägyptischen Druck erfolgte Waffenstillstandserklärung lediglich eine taktische Finte sei. Durch sie sollte bloss die internationale Meinung zufriedengestellt werden. Durch Hinhaltemanöver solle der jüngste Terroranschlag in Vergessenheit geraten. Die unvermeidlichen Militärschläge Israels könnten dann vor der Weltöffentlichkeit einmal mehr als ungerechtfertigte und unverhältnismässige Racheakte dargestellt werden.
Israel verlangt von der palästinensischen Behörde als erste Massnahmen einen unzweideutigen Befehl Arafats an seine Leute zur Einstellung der Gewalt, Verhinderung des Terrors, Verhaftung der vermuteten islamistischen Planer und Drahtzieher der Terrorattentate und einem sofortigen Ende der Aufhetzung gegen Israel über die palästinensischen Medien. Bis Sonntag Mittag waren allerdings laut israelischen Berichten keine substanziellen Schritte der Palästinenser zu verzeichnen. Es seine keine Verdächtigen festgenommen worden, und über das palästinensische Radio würden weiterhin Lieder gesendet, die den Tod im Kampf gegen Israel verherrlichen. Unterdessen verfügte Israel eine Abriegelung der autonomen Gebiete, die Umzingelung palästinensischer Ortschaften, und die Sperrung der Grenzen nach Jordanien und Ägypten. Die Genehmigungen für die Einreise palästinensischer Arbeiter nach Israel wurden für ungültig erklärt. Bloss in humanitären Fällen sollten Ausnahmen gemacht werden.