Die Zahlen sprechen für sich: 72000 Besuche verzeichnete die 2.
Berner Museumsnacht am Freitag – fast doppelt so viele wie 2003. Mit gutem Grund: 23 Institutionen boten Kultur in ihrer ganzen Spannweite.
17. 45 Uhr, kurz vor dem Beginn der zweiten Museumsnacht: Vor dem Kornhaus können 500 Kinder den Auftritt der Band Stärneföifi kaum erwarten. Zur gleichen Zeit ist das Gewächshaus im Botanischen Garten mit den an diesem exotischen Ort ausgestellten Typografiebildern von Rudolf Mumprecht und Adrian Frutiger bereits rege besucht, in der Hexenküche tasten und riechen Kinder den Geheimnissen der Natur nach.
Im Historischen Museum verwandeln Museumspädagogin Regula Luginbühl und Direktor Peter Jezler Kinder in Ritter. Wie einst im bekannten Roman «Mein Name ist Eugen» stülpen sich im Verlauf des Abends mehr als 200 Kinder einen echten Ritterhelm über den Kopf – allerdings mit dem Unterschied, dass sie das offiziell dürfen. Und dass sie den Helm wieder vom Kopf wegbringen und sich nicht mit einem übergestülpten Sack aus dem Museum schleichen müssen.
«Ja, ich bin zum ersten Mal in der Stadt- und Universitätsbibliothek», sagt Denise M. Sie ist eine der rund 2500, die bis 22 Uhr vom Zähler registriert werden. Und immer noch drängen sich Neugierige in den sonst so stillen Studien- und Leseort. Das Angebot ist breit. Bibliothekar Anton Buchli etwa zeigt und erklärt kostbare alte Bücher.
Staunend und still sitzt ein Dutzend Interessierter im Sitzungszimmer der ehrwürdigen Bibliothek. 350000 Bände zählt allein der Bestand an Büchern, die vor 1850 erschienen sind, darunter das erste in Bern gedruckte Buch: Boccaccios «Über die Frauen», das der Drucker Apiarius – so übersetzte ein Herr Beyeler seinen Namen wörtlich auf Lateinisch – im Jahr 1539 herausgab. Aufgeschlagen ist die mysteriöse Geschichte der Päpstin Johanna. Ein Bild zeigt, wie sie ein Kind gebiert. Die Geschichte beginnt mit einem merkwürdigen Satz: «Johannes wurde jener Mann genannt, vom Geschlecht her war er jedoch eine Frau. . . »
Es nieselt ein wenig. Das hindert niemanden daran, vor dem schön blau schimmernden Bundeshaus zu warten. Drei viertel Stunden dauert es, obwohl die Kontrollen zügig vorangehen, die Leute passieren die Sicherheitsschranke, ihr Gepäck wird geröntgt, Ex-Boxchampion Fritz «Fritzli» Chervet hat die Lage unter Kontrolle. Im Parlamentsgebäude wimmelt es von Leuten. Das Bundeshaus ist zum Volkshaus geworden.
Vergebliche Hoffnung: Eine Päpstin soll es zwar gegeben haben, aber im Bundesratszimmer verwandelt sich trotz dieser magischen Nacht niemand in eine Bundesrätin. Auf dem Balkon, wo sich der Blick auf die farbig leuchtende Museumsmeile im Kirchenfeld öffnet, geniesst ein Liebespaar still die Aussicht. Im Nationalratssaal steht Nationalrat Martin Bäumle von der Grünen Partei geduldig Red und Antwort: «Was war der humoristische Höhepunkt der letzten Session?», will jemand wissen. Bäumle überlegt nicht lange: «Immer wieder Bundesrat Moritz Leuenberger mit seinen literarischen Einschüben. »
Bei Silvia Müller, der Organisatorin der Museumsnacht, klingelt das Natel: «462 Besuche bis zur Schliessung um 22 Uhr hat das Museum der Heilsarmee eben vermeldet, das ist ein Erfolg für diese kleine, relativ unbekannte Institution», sagt sie – um vom Bundeshaus aus gleich weiterzueilen. Auch sie wird es – trotz Shuttlebusbetrieb von Bernmobil – nicht schaffen, alle 23 an der Museumsnacht beteiligten Institutionen zu besuchen.
DJ Signorino sorgt mit popmusikalischen Hits für Stimmung: Im Nordsaal des Kunstmuseums drängt sich dicht das Publikum, ebenso in der Museumscafeteria, wos gerade so zu- und hergeht wie am Freitagabend in einer Bar in der Innenstadt. Im Untergeschoss lesen derweil zwei Besucher still für sich in Katalogen. Schon bald ist Mitternacht. In den Gemäldesälen hats aber so viele Besucher, als ob eine Sonderausstellung zu sehen wäre. Dabei zeigt das Haus an der Hodlerstrasse ganz einfach seine Sammlung. Aber halt: Da gehen doch mitten durch die Leute Figuren, die einem der Gemälde entsprungen sein müssen. Tja, so ist das in dieser Nacht.
Es ist nicht Abendverkauf, aber auf der Kirchenfeldbrücke strömen die Leute noch immer in beiden Richtungen hin und her. Im Naturhistorischen Museum sind die «Nachtexpeditionen in Afrika» seit Stunden schon ausgebucht, geduldig vertröstet die Hausfotografin Lisa Schäublin viele enttäuschte Leute, die auch noch unbedingt nach Afrika gehen wollen – auf nächstes Jahr.
23. 56 Uhr: Genau 6107 Leute haben bisher die Kunsthalle besucht, und vor dem Historischen Museum drängeln sich die Leute immer noch am Eingang, man sieht es von weitem. Ja, man sieht es von weitem, ohne lange zu zählen: Die Museumsnacht war ein Erfolg. 72000 Besuche in acht Stun den – wenn das nicht ein Plebiszit für die Kultur ist, stärneföifi. Und sie war wieder so schön, dass eine dritte Auflage folgen muss. Am 18. März 2005 sei es wieder so weit, heisst es.