Die Bündner Connection
Die Spuren laufen in Graubünden zusammen: Hier pflegte Karlheinz Schreiber, Schlüsselfigur des CDU-Spendenskandals, seine Kontakte und fädelte seine Deals ein.
In Deutschland könnte sein Image nicht schlechter sein, die Justiz sucht ihn per internationalen Haftbefehl. Im Bündnerland ist der Ruf des Karlheinz Schreiber hingegen intakt. «Ein sehr geselliger Herr, nicht unsympathisch», erinnert sich sein Churer Anwalt. Letztmals hat er den wohl prominentesten Waffenhändler Anfang 1999 getroffen.
Die wohlwollende Beschreibung überrascht nicht. Für den umtriebigen Geschäftsmann, der 1994 dem heutigen CDU-Chef Wolfgang Schäuble 100 000 Mark in bar spendete, war Graubünden jahrzehntelang ein sicherer Hafen – privat und geschäftlich. Hier pflegte die Schlüsselfigur des deutschen Parteispendenskandals viele und entscheidende Kontakte, hier fädelte er seine Deals über Firmen von eng befreundeten Treuhändern ein. Das zeigt sein persönlicher Terminkalender, der FACTS vorliegt.
Insbesondere in Pontresina nahe Sankt Moritz kann Schreiber auf treue Freunde zählen. Immer wieder verbrachte er hier seine Ferien, ab 1994 machte er das Engadin zum ständigen Wohnsitz. Grund für die Umsiedlung waren erste Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft. Vorwurf: Steuerhinterziehung in der Höhe von 35 Millionen Franken.
Als Vermittler im Verkauf von 36 Fuchs-Panzern von Thyssen nach Saudiarabien im Jahr 1991 zahlte Schreiber zudem über sein Schweizer Bankverein-Konto schöne Provisionen an prominente Helfer aus Wirtschafts- und CDU-Kreisen. Zahlungen, die Schreiber im Laufe der Untersuchungen immer mehr in Bedrängnis brachten. Anfang 1999 flüchtete er deshalb direkt aus dem Engadin nach Kanada, wo er heute gegen seine Auslieferung nach Deutschland kämpft und gegenüber FACTS keine Stellung nehmen will.
In Pontresina verkehrte Schreiber laut seinem Garagisten «in den höheren Kreisen». Und diese Leute wissen heute nur das Beste zu berichten. «Was über ihn geschrieben wird, ist alles erfunden», ereifert sich der Immobilienhändler, der Schreiber vor Jahren eine Eigentumswohnung verkaufte. «Er ist sehr bescheiden und hat einen sehr guten Humor», lobt der Hotelier, in dessen Restaurant Schreiber regelmässig mit seiner Familie dinierte. «Ein umgänglicher Typ», sagt der befreundete Bankier. Erich Gruber, Ex-Gemeindepräsident von Pontresina, hält Schreiber für «sehr grosszügig» und erinnert sich an «viele Einladungen».
Doch die Herzen des Dorfadels eroberte der Waffenhändler nicht nur als spendabler Kunde und witziger Gast. Wie in Deutschland öffnete ihm auch in den Bündner Alpen sein System der regelmässigen Geldgeschenke viele Türen. «Er spendete unserem Skiklub jedes Jahr 1000 Franken», bestätigt Gemeindepräsident Eugen Peter, «das Geld kam jeweils von seinem SKA-Konto.»
Peter, der in Schreibers Agenda am 19. August 1994 als «Ing. President Pontresina» verewigt ist, war bis Mitte der Neunzigerjahre Präsident des Skiklubs Bernina. Der Verein ist mitverantwortlich für den Engadiner Skimarathon. Nachfolger Kurt Buchegger kennt ebenfalls die «Schreiber-Spende», die noch bis letztes Jahr via Credit Suisse gezahlt wurde. «Wir wissen nicht, ob das Geld dreckig oder sauber ist», sagt Klubpräsident Buchegger. Trotzdem erhielt Gönner Schreiber jährlich «eine Nusstorte und einen Dankesbrief».
Der Waffenhändler unterhielt nicht nur ein privates Netzwerk. Immer wieder traf er sich in Pontresina mit deutschen Herren zum Essen. «Er erzählte von Geschäften mit Thyssen», erinnert sich ein Bekannter. Kein Wunder, mehrere Schlüsselfiguren seines Panzergeschäftes waren regelmässig im Bündnerland anzutreffen. Die Telefonnummern ihrer Ferienimmobilien finden sich allesamt in Schreibers Terminkalender.
Allen voran Ex-CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep: «Bis 26. 8. Lenzerheide, 081-341-864», ist bei Schreiber auf Seite des 2. Septembers 1991 zu lesen. In der Lenzerheide besitzt Kiep ein Eigenheim. Am 26. 8. 1991 erhielt er in Sankt Margrethen von Schreiber eine Million Mark in bar überreicht. Diese Transaktion brachte acht Jahre später den Spendenskandal ins Rollen. Kiep bestreitet den Zusammenhang mit dem Panzerdeal.
Laut Agenda telefonierte Schreiber auch sehr oft mit Jürgen Massmann, Deckname «Jürglund» und Besitzer der Wohnung «A5 Zuoz». Gegen den Ex-Thyssen-Manager wird ebenfalls wegen Steuerhinterziehung ermittelt. Über Panama soll er aus dem Panzerdeal Provisionen von über neun Millionen Franken kassiert haben.
Bei so viel Prominenz durften Schreibers Treuhänder nicht fehlen. In Zuoz war wie Massmann auch «Lorenzo» regelmässig Gast. Lorenzo Wullschleger, unter anderem Verwaltungsratspräsident des Nobelinternats Lyceum Alpinum Zuoz, ist Schreibers engster Geschäftsfreund. «Wir kennen uns seit 1972», sagt Wullschleger, «unsere Treuhandfirmen verwalten heute einige Unternehmen, die im Auftrag von Schreiber Geschäfte abwickeln.» Eines dieser Unternehmen heisst Morgar und hat seinen Sitz in Lugano. Seit 1992 kümmert sich diese Firma um Schreibers Immobilien in Frankreich. «Es handelt sich um eine Eigentumswohnung an der Côte d’Azur», bestätigt der Tessiner.
Graubünden diente Wullschleger und Schreiber oft zu Treffen. «Bei einem Glas Wein habe ich dort unter anderem Herrn Massmann kennen gelernt», sagt er. Trotz diesen Begegnungen mit dem Thyssen-Manager distanziert sich Wullschleger vom Panzerdeal. «Das hat mit mir überhaupt nichts zu tun», behauptet er und widerspricht damit den Erkenntnissen der deutschen Fahnder.
Zu tun hatte Wullschleger zweifellos mit dem Tessiner Treuhänder Giorgio Pelossi, der im Bündner Celerina zu den Immobilienbesitzern gehört. «In gewissen Firmen, die wir für Schreiber verwaltet haben, fungierte Pelossi als Kontrollstelle», bestätigt Wullschleger das Dreiecksverhältnis. Pelossi arbeitete bis Anfang der Neunzigerjahre mit Schreiber zusammen. Ob Panzerdeal oder die Vermittlung von Airbus-Flugzeugen an Thailand, Pelossi war bei den Provisionszahlungen über die panamaische ATG Investment und die liechtensteinische International Aircraft Ltd. Drahtzieher. In Schreibers Agenda taucht zudem regelmässig die FMT Financial Management Trust auf. Der Zweck der FMT, domiziliert bei einem Treuhänder in Risch bei Zug, liegt im Dunkeln.
Heute sind Pelossi und Schreiber übers Kreuz. Auf Grund strittiger Zahlungen im Zusammenhang mit der IAL in Vaduz liess Schreiber seinen Partner Pelossi auf eine Million Franken betreiben. Am 4. Oktober 1994 instruierte er dafür einen Zürcher Anwalt – laut Agenda bei einem Essen im «Zunfthaus zur Waag». Am selben Tag hob Schreiber beim Bankverein 100 000 Mark in bar ab – zwecks Spende an Wolfgang Schäuble.
Pelossi nahm sich Hans W. Kopp als Rechtsbeistand. Kein kluger Schachzug. «Es war damals absehbar, dass Herr Kopp sein Patent verlieren würde und zudem im Tessin nicht prozessieren durfte», erinnert sich der IAL-Anwalt. Das Verfahren ist hängig.
Inzwischen hat Pelossi mit Schreiber nur noch eins gemeinsam: Er dürfte das Engadin nicht so schnell wiedersehen. Letzten Dienstag lieferten ihn die USA
an Italien aus. Die Mailänder Justiz ermittelt gegen Pelossi wegen Geldwäscherei. Deliktsumme: 27 Millionen Franken.