Der wahre Sieger

Bernie Ecclestone

Mit einem verschachtelten Firmen-Imperium kontrolliert der Brite Bernie Ecclestone das Milliardengeschäft der Formel 1.

Der Kommentator des italienischen Fernsehens sprach der trauernden Ferrari-Fangemeinde aus der Seele: «Dies ist der Morgen des geplatzten Traumes.» Als Mercedes-Pilot Mika Häkkinen am Sonntag kurz nach halb acht Uhr mitteleuropäischer Zeit in Suzuka über die Ziellinie und damit zu seinem zweiten WM-Titel fuhr, sassen weltweit über eineinhalb Milliarden Fernsehzuschauer vor den Bildschirmen, 7,61 Millionen allein in Deutschland. «Noch nie sind so viele Menschen nachts für ein Sportereignis aufgestanden», jubelte RTL-Informationsdirektor Hans Mahr.

Auch Bernard C. Ecclestone hatte den Wecker gestellt. Der «Pate der Formel 1» («Financial Times») verzichtet seit einer Herzoperation vor sechs Monaten auf Langstreckenflüge und dirigierte sein hundertköpfiges Heer grauschwarz gekleideter Mitarbeiter dieses Wochenende von seinem braunen Glaspalast am Londoner Hyde Park aus – Sitz eines verschachtelten Imperiums von über einem Dutzend Firmen, die sich neben Immobilien vornehmlich der Formel 1 widmen.
Diese bezeichnet der 69-jährige Brite als sein Lebenswerk. In 20 Jahren hat er es geschafft, die ehemals in der Ecke der Bleifussfetischisten verstaubte oberste Motorsport-Klasse zum glamourösesten, kostspieligsten und einträglichsten Hightech-Zirkus des Planeten zu machen. Inzwischen ist die Formel 1 ein Entertainment-Betrieb, der pro Jahr mehr als drei Milliarden Franken umsetzt, dessen Medienrechte in diesem Jahr mehr als 600 Millionen Franken einspielten und dessen Star Michael Schumacher mit 57 Millionen Jahreseinkommen der bestverdienende Sportler der Welt ist.

Don Bernie, Formel-1-Chefvermarkter, Rennveranstalter, Reiseunternehmer und TV-Produzent in einem, kann von seinem Ledersessel hinter Scheiben, die ebenso abgedunkelt sind wie seine dicken Brillengläser, zufrieden auf die Saison zurückblicken. Es war die kommerziell erfolgreichste seiner Regentschaft, und selbst den sportlichen Verlauf hatte er offenbar fest im Griff. Dass er die Ferrari-Disqualifikation (wegen illegaler Windabweiser) beim zweitletzten Rennen in Malaysia als «totalen Nonsens» bezeichnete, nahm das Schiedsgericht artig zur Kenntnis: Im umstrittenen Berufungsurteil wurden Schumacher und Irvine freigesprochen. Häkkinen erhielt seinen WM-Titel nicht geschenkt, Ecclestone dafür den Showdown im letzten Rennen.

Nun will der Mann mit einem geschätzten Privatvermögen von mehr als 600 Millionen noch mehr Kasse machen. Die Rückkehr seiner Formel-1-Karawane in die finanzkräftigen USA erfolgt nicht zufällig: Das Rennen in Indianapolis soll im nächsten Jahr vor mehr als 200 000 Zuschauern das gigantischste aller Zeiten werden. Und auch seinem Traum vom Gang an die Börse ist der Impresario durch den Verkauf von 12,5 Prozent seiner Formel-1-Holding an die zur Deutschen Bank gehörende Morgan Grenfell Private Equity MGPE näher gekommen: 487 Millionen Franken zahlten die deutsch-britischen Banker sofort. Weitere 1,46 Milliarden haben sie für die nächsten 37,5 Prozent zugesichert.

Mehr noch als ein lukratives Geschäft ist die MGPE-Investition für den gelernten Chemiker eine wichtige Vertrauensbekundung. Bisher nämlich stand Ecclestone in der Londoner City weit weg von der Poleposition, war sein Verhältnis zu Investbanken und anderen Grossanlegern getrübt: Unter den mehr als 40 Milliarden Menschen, die nach einer stolzen Hochrechnung das PS-Spektakel jährlich verfolgen, sind seit einigen Monaten auch ein paar gestrenge Herren der EU-Kommission in Brüssel.

15 Verstösse gegen das Kartellrecht wollen Karel van Miert und sein Nachfolger, Mario Monti, bei Recherchen im Imperium des ehemaligen Gebraucht-wagenhändlers festgestellt haben. Noch nie sei ihnen ein derartiger Fall von Machtkonzentration begegnet: «Ecclestone besitzt die Formel 1 nun schon 15 Jahre praktisch allein.» Vor allem dank der TV-Rechte, die ihm von seinem Trauzeugen Max Mosley, Präsident des Internationalen Automobilverbandes FIA, unter Ausschluss jeder weiteren Angebotskonkurrenz für Jahre zugeschanzt worden sind und für den kleingewachsenen Briten einer Lizenz zum Gelddrucken nahe kommen.
Mosley sieht darin nichts Unrechtes, der Wert der Geschäfte habe sich erst durch Ecclestones Arbeit entwickelt: «Warum soll ich einen Amateur an meine Autos heranlassen, wenn ich jemanden habe, der sie perfekt in Stand hält?» Der Sohn des zu Kriegsbeginn inhaftierten Faschistenführers Sir Oswald Mosley weiss, was er ohne Bernie wäre.

Schliesslich reicht dessen Bannstrahl bis in die Zentren politischer Macht: Englands Premier Tony Blair ist ein Bekannter. Frankreichs Sport- und Justizminister erwiesen ihm jeden Gefallen. Und der ehemalige deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl empfing ihn persönlich im Kanzleramt. Ergebnis des Besuchs: Das deutsche Zigaretten-Werbeverbot wurde eigens für den GP am Nürburgring aufgehoben, worauf Ecclestone strahlte: «Der Mann ist reizend.»
Auch Bernie kann nett sein, sagt Michael Schumacher: «Stunden mit ihm sind grosser Spass.» Finster werden die Gesichtszüge nur, wenn gegen die Spielregeln – seine Spielregeln – verstossen wird. Einem Mechaniker, der zu Ecclestones Zeiten als Besitzer des Brabham-Rennstalls aus Wut eine Werkbank traktierte, zerstörte der stets akkurate Mister E. mit einem Hammer das Privatauto. Begründung: «Wenn du mein Eigentum kaputt machst, mach ich deins auch kaputt.»

In Brüssel stossen solche Drohungen auf taube Ohren. Die EU-Kommissäre ermitteln unverdrossen weiter, was einigen Herren der Branche den Schweiss auf die Stirn treibt, nicht aber dem unerbittlichen Meister selbst: «Ich habe noch nie verloren.» Gerne kokettiert Ecclestone mit seinem angeblich ehrenamtlichen Job: «Ich bin doch nur ein kleiner Angestellter. Wenn ich nicht gut arbeite, fliege ich raus.» Seiner 30 Jahre jüngeren Gattin käme das gerade recht. Die pflegte schon immer zu sagen: «Wenn du so weitermachst, werden wir dich eines Tages im Fahrerlager begraben müssen.»

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