Abflug ohne Moritz Suter
Rainer Gut hat verhindert, dass Moritz Suter Präsident der neuen Fluggesellschaft wird. Der Crossair-Gründer ist sich aber auch selbst im Weg gestanden.
Moritz Suter wird nicht Präsident der neuen Schweizer Airline. Politiker und Investoren haben den Druck in den letzten Tagen massiv erhöht, um den umstrittenen Crossair-Gründer für den ambitiösen Neustart loszuwerden. Sie befürchten, dass ihr Vier-Milliarden-Paket mit den 26 Langstreckenjets von der «unguided missile», der unkontrollierbaren Rakete Suter, abgeschossen wird.
Bei-Redaktionsschluss war der Entscheid noch unter Verschluss, wurde aber von mehreren Stellen bestätigt.
SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer sagt zu Suters Nicht-Berücksichtigung im neuen Verwaltungsrat, dass die Widerstände gegen ihn «offenbar zu gross» waren. «Obs ohne Suter besser wird, muss sich noch weisen», warnt Leutenegger, immerhin hätte der Unternehmer viel Erfahrung eingebracht.
Hinter dem Ausbremsen von Suter steht in erster Linie Rainer Gut. Der frühere Swissair-Verwaltungsrat und heutige Nestlé-Präsident hielt nichts vom Basler auf dem Präsidentenstuhl. «Gut ist kein Mann für faule Kompromisse», sagt ein Insider, «er wollte einen, der voll hinter der 26er-Lösung steht. Suter tut das nicht.»
Um den Crossair-Präsidenten loszuwerden, beauftragte Gut die Headhunter-Firma Egon Zehnder. Am Dienstag konnte sie dem für das Geschäft zuständigen Steuerungskomitee unter Gut den zukünftigen Präsidenten für die neue Airline präsentieren. Zehnder-Chef Thomas Hammer will den Auftrag weder bestätigen noch dementieren. «Ich darf nichts sagen, weil bei solch diffizilen Aufgaben ein Deal durch öffentliche Aussagen in letzter Sekunde scheitern könnte», begründet der Zehnder-Chef. Offenbar muss mit der Ankündigung gewartet werden, aus Rücksicht auf den bisherigen Arbeitgeber des neuen Präsidenten.
Das Abschieben von Suter war nicht einfach. Erst als Gut von UBS-Chef Marcel Ospel signalisiert erhielt, dass die Basler Grossbank nicht opponieren würde, war der Weg frei. Laut Insidern hat sich auch in der UBS-Spitze herumgesprochen, dass der Crossair-Gründer in den letzten Jahren allzu oft Swissair-Interna gegenüber Medien und anderen Meinungsmachern hinter vorgehaltener Hand ausplauderte, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Weil für den Aufbau der neuen Airline eine integrative Persönlichkeit mit grossem Vertrauensbonus absolut zwingend ist, kam Suter je länger, je weniger in Frage.
Auch mit seinen Auftritten in den vergangenen Tagen hat der Crossair-Chef die letzte Chance nicht genützt. Er konnte sich nicht zu einem klaren Bekenntnis für die grosse Variante durchringen. «Wenn sich der Betrieb der 26 Langstreckenflugzeuge und der 26 Kurzstreckenflieger nicht rechnet, muss abgespeckt werden», sagte er beispielsweise im «SonntagsBlick».
Mit dem Ausbremsen von Suter verhalten sich die Väter des viel bejubelten Schulterschlusses konsequent. Wenn sie schon vier Milliarden Steuer- und Privatgelder in die neue Airline investieren, müssen sie ganz oben eine Persönlichkeit installieren, die an eine solch grosse Lösung glaubt – ob diese nun Erfolg haben wird oder nicht.
Genau daran hielt sich Gut. Nach Ankündigung der grossen Rettungsaktion vor drei Wochen ging er auf Tauchstation und agierte von da an nur noch im Verborgenen. Während sich Politik und Wirtschaft den schwarzen Peter bei den bedrohten Flugnebenbetrieben zuschoben, konzentrierte er sich im Windschatten der aufgeheizten öffentlichen Stimmung mit Hilfe der Headhunter-Firma Egon Zehnder auf die schwierige Personalsuche.
Bis zuletzt blieb der Erfolg ungewiss. Noch in den letzten Tagen kam es zu Störmanövern mit dem möglichen Motiv, dass kein geeigneter Alternativ-Kandidat verpflichtet werden kann. Personen wurden als mögliche Präsidenten-Kandidaten genannt, die nicht zur Diskussion standen und umgehend dementierten.
Wer auch immer Rück-Präsident Walter Kielholz und einen früheren KLM-Chef ins Spiel brachte, versuchte damit Druck zu Gunsten von Suter aufzubauen. Denn vor allem Kielholz wäre keine Alternative für das wegfallende Know-how eines Suter gewesen. Offenbar sollte der Eindruck entstehen, dass Gut nicht einmal Kandidaten zweiter Güte zur Übernahme des schwierigsten Jobs der Schweizer Wirtschaft bewegen könne und zähneknirschend auf den allein übrig bleibenden Suter zurückgreifen müsse.
Die graue Eminenz der Zürcher Hochfinanz liess sich vom Sperrfeuer nicht irritieren. Zugute kam Gut, dass er Suter aus seiner früheren Zeit bei Swissair kannte. Suters Qualitäten waren auch für Rainer Gut unbestritten, schliesslich hat Suter aus seiner kleinen Crossair eine stolze Airline mit 4000 Angestellten und sechs Millionen Passagieren gemacht. Gleichzeitig zog der Basler Musikersohn wie kein Zweiter an den Strippen.
Erst als die gesamte Swissair-Flotte Anfang Oktober am Boden blieb, entglitt Suter die Kontrolle. Die Schweiz lief Amok, Bundesbern übernahm das Zepter, Gut trommelte seine finanzkräftigen Bekannten zusammen, und der Milliardendeal kam innert vier Wochen zu Stande. Der Anfang von Suters Ende war eingeläutet.
Vorübergehend sind die Chancen, dass dereinst mehr als nur eine Hand voll Interkontinental-Destinationen ab Zürich bedient werden, mit dem Ausscheiden Suters gestiegen. Ob dafür 26 Langstreckenjets nötig sind, bleibt ungewiss. Sicher ist aber: Es kommt nun nicht zur suterschen Minilösung mit der bestehenden Crossair und einigen wenigen Flügen nach New York.
In Luftverkehrskreisen heisst es schon lange, dass Suter lieber ab Basel und Genf Langstreckenflüge in die USA anbieten würde, als dass in Zürich der Umsteigeflughafen im grossen Stil am Leben bleiben soll. «Die Schweiz braucht eine Airline, die im Interesse aller Regionen tätig ist», machte Suter in der Fernsehsendung «Vis-à-vis» am vergangenen Montag für diese Regionalisierung Werbung.
Das einstündige Gespräch mit Frank A. Meyer war bemerkenswert. Beide waren in den letzten zehn Jahren gemeinsam aktiv, wenn es ums Verhindern von gewagten Ausbruchversuchen aus dem engen Schweizer Markt ging. Zusammen bekämpften sie das Projekt Alcazar – die Fusion mit KLM, Scandinavian und Austrian. Und sie hatten lange Zeit grossen Erfolg. Aus dem damals visionären Projekt wurde nichts, nachdem sich auch noch der damalige Bundesrat Adolf Ogi gegen die Aufgabe der Unabhängigkeit der Swissair zur Wehr gesetzt hatte.
Ein letztes Mal durfte sich Suter in Meyers Sendung als väterlicher Airline-Unternehmer präsentieren. «Ich bin eigentlich ein sensibler Mensch, wie Sie ja auch», antwortete Suter seinem Interviewer Meyer vor einem verblüfften Fernseh-Publikum auf dessen Frage, ob ihn der Widerstand der Swissair-Piloten schmerze. Nun muss Suter niemandem mehr wehtun.