Urheberrechte – Bald ist Schluss mit lustig

Urheberrechte

Die Unterhaltungs- und die Computerindustrie wollen die Urheberrechte besser schützen. Am Ende soll die totale Kontrolle über den digitalen Datenfluss stehen.

Bunte Buchstaben auf Intels Website verkünden es: «Ihr PC könnte viel mehr Spass haben.» Was es dazu braucht, ist klar – jede Menge digitale Technologie im Haus, in deren Zentrum ein PC steht, umgeben von zahlreichen digitalen Geräten wie Video- und Fotokameras, CDs, DVDs, den zugehörigen Brennern und MP3-Playern, nicht zu vergessen das Internet. Das neue Windows XP ist laut Microsoft «das richtige Betriebssystem für die Unterhaltung zu Hause», bei Apple heisst das Konzept «digital Hub». Zur Freude der Hersteller folgen viele PC-Besitzer ihren Rufen, kaufen sich die nötige Ausrüstung und haben tatsächlich Spass damit.

Gar keinen Spass verstehen aber die grossen Musikvertriebe, wenn ihre CDs haufenweise kopiert werden. Zwar lebt diese Industrie davon, dass ihre Hits spottbillig vervielfältigt und dann mit fetter Marge verkauft werden, doch in den Händen der Kunden wird dieselbe Kopier-Technologie zur Bedrohung. Die oft zitierte Geschichte des Aufstiegs und forcierten Niedergangs von Napster – auch wenn bis heute unklar ist, ob die MP3-Börse dem Verkauf von Musik-CDs geschadet oder ihn gefördert hat – könnte erst der Anfang gewesen sein. Jetzt formieren sich Computerhersteller, Softwarehäuser und die Unterhaltungskonzerne zum nächsten Schlag.

Anfängliche Vorsicht verflogen

Dazu sollen diverse Technologien ihren Wünschen entsprechend «angepasst» werden. Zum Kern der elektronischen Datenverarbeitung gehört die Möglichkeit, Daten einfach auszutauschen und zu kopieren. Ohne diese Eigenschaft ist die digitale Spasszentrale PC allerdings am Ende.

Bei DVDs ist Kopierschutz schon lange üblich. Die Filmindustrie hat sich von Beginn weg gegen die Gefahren des digitalen Formats einigermassen erfolgreich gewappnet. Der Versuch, einen ähnlichen Kopierschutz in die im PC sitzende Harddisk zu integrieren, wurde noch im Frühjahr von einem firmenübergreifenden Konsortium von Hard- und Softwareherstellern knapp abgelehnt. Einige befürchteten Proteststürme der Endkunden, wenn diese vorgeschrieben bekommen, was sie auf ihre Harddisks schreiben dürfen und was nicht. Zu den Neinsagern gehörte Apple, andere enthielten sich der Stimme, darunter Dell und Fujitsu. Die unterlegenen Hersteller (Microsoft, IBM, Iomega, Hitachi, Toshiba u. a.) gaben aber nicht auf. Heute konzentrieren sich die Bemühungen darauf, das Kopieren von so genannten Wechselspeichermedien (CDs, Zip-Disketten usw.) zu verunmöglichen oder zumindest stark einzuschränken. Dabei sind die alten Bedenken verflogen.

Das Beste daran: Wir habens schon!

Bei Audio-CDs sorgt seit neustem digital beigemischtes Rauschen dafür, dass ein auf den PC kopiertes Musikstück nur noch mit störenden Nebengeräuschen angehört werden kann, also unbrauchbar wird. Im herkömmlichen CD-Player verschwinden die lästigen Nebengeräusche dank einer Korrektursoftware, die heute schon kleine Kratzer hat oder Verunreinigungen kompensiert.

Für einmal brauchen wir keine Geduld, bis wir in den «Genuss» einer neuen Technologie kommen. Hunderttausende der neuen Antikopier-CDs sollen bereits verkauft sein. Diese Woche hat Universal angekündigt, ab sofort alle CDs mit dem neuen Kopierschutz zu versehen. Sony hat ebenfalls bereits begonnen, CDs im neuen Format zu veröffentlichen, allen voran das neue Opus von Michael Jackson (siehe TA vom 1.10.2001). Es darf spekuliert werden, ob die jüngsten Gerüchte über angebliche Geldknappheit des Popkönigs die Fans in diesem Zusammenhang wohl darauf vorbereiten sollten, ihm zuliebe das Portemonnaie zu zücken statt den CD-Brenner anzuwerfen. Auch Disney, AOL Time Warner, Bertelsmann und EMI klagen lautstark über verlorene Einnahmen und kündigen ihrerseits Kopierschutz an.

Besonders stossend ist, dass die neuen CDs ohne Vorwarnung in die Läden kamen. Wer eine CD kauft, geht heute davon aus, dass er legal eine Kopie davon machen kann, z. B. für das Auto. Diese Art von Vervielfältigung ist ausdrücklich nicht strafbar, allerdings besteht auch kein Recht darauf. Man darf gespannt sein, wie die grossen Musiklabels ihren Kunden dieses langjährige Gewohnheitsrecht ausreden wollen. Statements wie das folgende eines Sony-Sprechers dürften wenig dazu beitragen: «Wenn die Konsumenten erst einmal keine Gratismusik mehr kriegen, dann werden Sie die Musik kaufen müssen, und zwar in den Formaten, die wir dafür bestimmen.» Noch Fragen?

XP machts möglich

Einen entscheidenden Schritt gegen Raubkopien von Musiktiteln soll Windows XP bringen. Hier steht der Versuch an, eine weit reichende Kontrolle darüber zu erlangen, wer was mit welchen Daten wo machen darf. Dazu bedarf es zweier Dinge. Erstens muss Software auf jedem Computer eindeutig erkennen können, wer ihr Besitzer ist. Das besorgt das neue Lizenzierungsprozedere von Windows XP (siehe TA vom 8. 10. 2001). Zweitens müssen die Inhalte in einem bestimmten Format vorliegen, das es erlaubt, festzulegen, was welcher Benutzer damit machen darf. Dies besorgt der neue Windows Media Player. Die Beschränkungen können vielfältiger Natur sein: Man darf etwas nur einmal ansehen, nicht kopieren, muss bezahlen, bevor man es nutzen darf, etc. Gibt jemand ein Musikstück weiter, muss der Empfänger eine eigene Lizenz dafür kaufen. Davon können auch das eigene Laptop oder der MP3-Player betroffen sein. Wie diese Konflikte gelöst werden, ist noch offen. Und jedes Mal soll die Kasse der Unterhaltungsindustrie klingeln. Zwar werden alte, «unsichere» CDs und Audiodateien immer noch abgespielt, doch hier wird an der Kontrolle der Zukunft gebaut. Pessimisten sehen diese bereits unter dem Stern proprietärer Geräte und Datenformate – das pure Gegenteil des «digitalen Hubs».

Microsoft selbst «liefert nur die Basistechnologie». Und heimst sich ein neues Quasimonopol ein: Technologien zur Kontrolle über den Gebrauch digitaler Inhalte und – nicht minder wichtig – zu deren Vermarktung. Addiert man «.Net» (Software wird abonniert statt gekauft) und «Hailstorm» (alle für den E-Commerce nötigen persönlichen Daten werden zentral und online verwaltet) dazu, wird klar, womit Microsoft in Zukunft Geld verdienen will.

Die Rechnung könnte aufgehen, denn Herr Gates hat gewichtige Partner auf seiner Seite: die Vertriebe von Musik, Filmen und anderen Inhalten, etwa Verlage. Sobald die Technologie es dereinst verlässlich erlaubt, genau zu bestimmen, wer Inhalte zu welchem Preis wie nutzen darf, dann werden viele Anbieter auf diesen Zug aufspringen. Die Künstler selbst finden diese volle Kontrolle imagegemäss «uncool». Dennoch dürften auch sie sich davon überzeugen lassen, ihre Werke online zum Download anzubieten, sobald die Technik sicherstellt, dass jeder Konsument dafür bezahlt.

Wie mag wohl die Industrie darauf reagieren, wenn einst Künstler online ihre Werke direkt an den Kunden bringen und das ganze Geld selber einstecken? Ihnen dürfte wohl ähnlich rasch der Garaus gemacht werden wie der illegalen Tauscherei à la Napster, denn Kopierschutz ist das Privileg der Industrie. DVDs etwa, die unsere «digitalen Hubs» heute schon brennen können, fehlt jede Möglichkeit, diese vor unerlaubter Vervielfältigung zu schützen.

Katz-und-Maus-Spiel ist lanciert

Bereits sind erste Hackerprogramme im Netz, die von sich in Anspruch nehmen, die neuen CDs geknackt zu haben. Pikantes Detail am Rande: Der Kopierschutz, auf den die CD-Vertreiber heute setzen, soll von einer zwei Jahre alten Software überlistet werden.

Es gibt durchaus legitime Gründe und Verständnis für die Bestrebungen, der grassierenden Piraterie in Sachen Musik, Software und anderen geistigen Eigentums entgegenzuwirken. Doch hier werden unter dem Deckmantel des Urheberrechts neue Monopole heraufbeschworen und einzig sichergestellt, dass das Geld auch in Zukunft in die «richtigen» Taschen fliesst. Der Spass, den uns die Hersteller nicht müde werden anzupreisen, bleibt dabei auf der Strecke.

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