Gegenden sahen und fanden

Gewinner

Gegenden sahen und fanden. Gewiss haben sie ihre Bewunderung kultiviert, wollten ihren Sponsoren und Lesern imponieren, um die Bedeutung ihrer Leistungen herauszustreichen. Aber ihre Berichte stimmen im Wesentlichen überein, was den Reichtum, die Errungenschaften und den Wissensstand dieser manchmal mysteriösen Fremden betrifft.

Die Asiaten, vor allem die Chinesen, besassen und fertigten Gegenstände, beherrschten Technologien, die in Europa noch kaum oder gar nicht bekannt waren. Sie hatten Schiesspulver, Gewehre und Papier, kannten den Druck und die Münzprägung, fertigten wunderschöne Stoffe und fuhren grosse Segelschiffe. Sie schienen in einer anderen Zeit zu leben.

Während des nächsten halben Jahrtausends holte Europa auf. Woran erkennen wir das? Am Stand der europäischen Wissenschaft und Technik. (Ich sage dies trotz der gegenteiligen Behauptung von Forschern wie Joseph Needham und Kenneth Pomeranz, was China, die islamische Welt und Indien angeht.) Tatsache ist, dass es Europäer waren, die die Spitze Afrikas umschifften und in indische Gewässer vorstiessen. Diese Leistung war keinem glücklichen Zufall zu danken; es war ein Abenteuer, ein Beweis des wissenschaftlichen, militärischen und navigatorischen Könnens.

Grundlage dieses Abenteuers war die intelligente Nutzung des Wissens über die Breitengrade. Es gibt Berichte über die wichtige Rolle, die die Bestimmung des Längengrades gespielt hat für die Fähigkeit der Europäer, sich in unbekannten Gewässern zu orientieren und geschickt zu navigieren. (Dazu findet man Näheres im Bestseller «Längengrad» von Dava Sobel.) Aber es waren die Breiten, die die Welt öffneten und deren Kenntnis die Europäer befähigte, mit ihren Segelschiffen unter Ausnutzung der Passatwinde und Ströme bis weit nach Westen vorzustossen – bis zur Küste dessen, was einmal Südamerika heissen würde -, dann umzukehren und die östlichen Winde und Ströme um das Kap der Guten Hoffnung zu nutzen.

So sparten sie Wochen an Reisezeit, die die Überlebenschancen einer durstigen und hungrigen Mannschaft über die Massen strapaziert hätten. Es war eine Pioniertat, ein Zeugnis der Macht von Wissen und Wissenschaft, ein Meilenstein der Geschichte.

Europa holte auf? Mehr als das. Es gibt Forscher, die behaupten, die materiellen Verhältnisse in Europa inklusive Russland hätten damals erst ungefähr oder noch nicht ganz das Niveau erreicht, das die grossen alten Zivilisationen um 1500 aufwiesen. Anders gesagt: Zu der Zeit seien diese anderen grossen Zivilisationen Europa immer noch voraus gewesen. So schrieb etwa Paul Bairoch in seinem Essay «Main Trends in National Income Disparities» 1981, der durchschnittliche Lebensstandard Mitte des 18. Jahrhunderts sei in Europa höchstwahrscheinlich etwas geringer gewesen als in der übrigen Welt, und zwar auf Grund des hohen Niveaus der chinesischen Zivilisation und ihres Gewichtes in der Welt.

Das Thema ist immer noch Gegenstand einer Kontroverse. Wir haben Musse, es zu studieren und zu argumentieren, doch ich selbst sehe Westeuropa um 1500 nicht als rückständig an. Im Gegenteil. Europa war auf zwei wichtigen Gebieten klar führend – der Kriegführung und der Navigation zur See. Und sehr wahrscheinlich nahm es auch auf anderen Schlüsselgebieten eine führende Rolle ein – wie etwa dem Gebrauch von Wind- und Wassermühlen, der Metallverarbeitung, im Speziellen von Eisen, und auch dank einer ganzen Anzahl von scheinbar banalen, tatsächlich aber entscheidenden Erfindungen wie der mechanischen Uhr, der Brille und der Lupe. Ganz zu schweigen von der Druckkunst, die nicht um ihrer selbst willen, sondern in Verbindung mit dem vergleichsweise einfachen lateinischen Alphabet Bedeutung erlangte.

Im Licht dieser Fortschritte ist evident, dass das Europa jener Zeit ausserordentlich lernwillig war (keineswegs eine selbstverständliche Tugend) und dass es eine besondere Begabung zeigte, Neues zu erfinden – ja es erfand sozusagen das Erfinden selbst und erhob es zum System. Gerade in dieser Hinsicht hat Europa die anderen grossen Zivilisationen klar überflügelt.

Gestützt auf diese Tatsache, ist es nicht unvernünftig zu folgern, dass Europa damals, zumindest in seinen entwickelteren Gegenden, ein höheres Pro-Kopf-Einkommen aufwies als die alten Zentren der Welt – und dies rund dreihundert Jahre vor der industriellen Revolution. Indem ich dies sage, wende ich mich ausdrücklich gegen die These von Bairoch, gegen die Argumente von Prasannan Parthasarathi und Kenneth Pomeranz, die sich auf Schätzungen des Korn- und Reisverbrauchs stützen, und gegen die Behauptung von André Gunder Frank, Europa habe seinen Rückstand auf die asiatischen Zivilisationen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert aufgeholt und sie erst hernach überholt.

Solche Behauptungen widersprechen ganz einfach der Tatsache von Europas Macht und Erfolg im Kontakt und im Handel mit diesen fernen Völkern und Gesellschaften. Und dies von Anfang an: Die wichtigste Nachricht, die Vasco da Gama von seiner ersten Reise nach Indien nach Hause brachte, war, dass die eigenen Kanonen genauer waren und weiter schiessen konnten. Die Instruktion, die Cabral für seine darauffolgende Reise mit auf den Weg bekam, war denn auch nicht, die Auseinandersetzung Auge in Auge zu suchen, sondern Distanz zu halten, sollten fremde Schiffe sich zum Angriff anschicken, und sie aus der Ferne zu versenken.

Die erste Periode von Europas Präsenz in östlichen Gewässern, sagen wir etwa von 1500 bis 1800, fällt in die Zeit der Vorbereitung der industriellen Revolution. Ganz im Gegensatz zur Darstellung mancher Asienspezialisten oder skeptischer Wirtschaftshistoriker fiel die industrielle Revolution nicht vom Himmel. Die Erfindungen, denen sich der grosse Sprung in der Produktionsweise verdankt – die Dampfmaschine, die Spinn- und Webmaschinen, die Hochöfen, die Bagger, die Eisenbahn -, wurden während Jahrzehnten experimentell und auf ihre kommerzielle Tauglichkeit erprobt. Neuerungen in Technik und Herstellungsverfahren, neue Formen der Arbeitsorganisation und des Marketing gingen damit einher.

Unter denen, die am heftigsten zugunsten einer spät einsetzenden, schubweisen Entwicklung der neuen Technologie argumentierten, war der verstorbene Professor Rondo Cameron, der sich der vergeblichen und etwas donquijotischen Aufgabe verschrieb, den Begriff «industrielle Revolution» aus dem Vokabular der Historie zu tilgen. Sein Feldzug gründete auf einem Missverständnis des Begriffs «Revolution», unter dem man oft einen plötzlichen, brüsken politischen Wechsel versteht, der gewöhnlich von Gewalt begleitet ist. Cameron liebte solche Wechsel nicht, die ihm an sich negativ, kontraproduktiv erschienen. Aber «Revolution» wird im Englischen auch im Sinne einer fundamentalen Veränderung, einer Wende, gebraucht. Und genau das ist gemeint, wenn wir von «industrieller Revolution» sprechen.

Europa machte in jenen Jahrhunderten eine Art von Adoleszenz durch, bereitete sich aufs Erwachsenendasein vor. Es waren Jahre des Lernens, des Experimentierens, des Erfindens – die ganze Zeit über schloss man Bekanntschaft mit in der ferneren nichteuropäischen Welt verbreiteten Techniken und begann sie zu imitieren. Eines der besten Beispiele ist das Porzellan. Diese neue Töpferware erfreute sich grosser Beliebtheit in Europa, und man war bereit, erhebliche Summen zu zahlen für Geschirr oder Vasen aus Asien. Solche Vorliebe musste Interesse und Appetit wecken, und eine Reihe europäischer Königreiche investierten denn auch staatliche Fördermittel, um dem Geheimnis der Technologie auf die Spur zu kommen. Einen ersten Erfolg konnte man gegen Ende des 17. Jahrhunderts verzeichnen, und um 1720 war man in der Lage, richtiges Porzellan ganz nach Wunsch herzustellen.

Was Kunst und Ästhetik angeht, ist damit nichts ausgesagt: Wer weiss schon, warum heute Sammler bereit sind, ein Vermögen für europäisches Tafelgeschirr mit einfallslosem Design aus dem 18. Jahrhundert hinzublättern? Weil es rar ist? Das Geschirr zerbrach und splitterte leicht, wenig davon hat überlebt.

Mit den industriellen Fortschritten einher gingen Verbesserungen der Segeltechnik – schnellere Schiffe, genauere Navigation – und der Bewaffnung. Die Europäer konnten sich mehr oder minder niederlassen, wo sie wollten, selbst in feindlichen Gegenden, solange sie innerhalb der Reichweite ihrer Schiffskanonen blieben. Sie übten sich in Aufklärung und Spionage, benutzten unschuldig aussehende Missionare, um an industrielle Geheimnisse heranzukommen. Wo Schätze lockten, schafften sie es, weit ins Landesinnere vorzustossen und gewaltige Mengen von Edelmetallen und -steinen, Münzen und anderer Kostbarkeiten herauszuschaffen.

So in Mexiko und Peru: Kaum hatten die Spanier Kenntnis erlangt von den Bodenschätzen an Gold und Silber, fuhren sie mit der nötigen Anzahl von Schiffen und Truppen aus, fanden lokale Verbündete in der seit langem gedemütigten und erniedrigten Bevölkerung und brachten genug Gold- und Silberbarren zurück, um die europäische Ökonomie auf den Kopf zu stellen und den Platz Spaniens unter den Nationen Europas neu zu bestimmen. Ein Grossteil ihres Erfolges, traurig zu sagen, verdankten sie den Krankheiten, die sie einschleppten, vor allem den Pocken. Die Einwohner Amerikas kannten sie nicht, hatten keine Widerstandskraft gegen die Mikroorganismen und erlagen den Seuchen – sie wurden nahezu ausgerottet.

Alles in allem bauten die Europäer auf ihre Stärken, wurden reicher und mächtiger und vergrösserten so ihren Vorsprung gegenüber den anderen Zentren Eurasiens. Festzuhalten bleibt, dass dieser Prozess unterschiedliche Auswirkungen in Europa selber hatte. Die grossen Gewinner waren schliesslich die Länder des Nordens – nicht die alten mediterranen Gesellschaften, nicht die iberischen Nationen, die von den frühen aussereuropäischen Kontakten am meisten profitiert hatten. Europas altes Zentrum wurde zur Peripherie.

Woher diese Umkehrung, diese Wende des Schicksals? Viele Bücher sind über das Thema geschrieben worden, das wir hier nur streifen können. Kurz gesagt, ist die Verlagerung des Schwergewichts nach Norden eine Folge kultureller und religiöser Kräfte, wie sie sich in den Rissen in der römischen Kirche zeigten, der Abspaltung der Protestanten, der hartnäckigen Anstrengungen Roms, die Dissidenten zu unterdrücken. Die Protestanten, die in den nördlichen Gefilden, weg von Rom, ein besseres Leben hatten – und unter ihnen vor allem diejenigen, die der Doktrin von Calvin folgten -, zeigten sich weit eher bereit, mit der alten sozialen und religiösen Ordnung zu brechen. Sie lehnten die traditionellen zünftischen Beschränkungen ab, die die Arbeitsregeln an die katholische Pietät banden, betrachteten die ruhelose Jagd nach Reichtum als legitim und nicht als moralisch verwerflich und sahen in der Arbeit nicht eine Strafe für die Erbsünde, sondern einen Ausweis von Tugend.

Der Protestantismus förderte die Akkumulation von Reichtum, die Familientradition im Unternehmertum, die Vorbereitung der Kinder und Kindeskinder auf ihren Eintritt ins Geschäftsleben. Im südlichen, lateinischen Europa war dieser Ansporn nicht vorhanden; alle sozialen und politischen Belohnungen waren darauf ausgelegt, den erfolgreichen Unternehmer und seine Erben vom Geschäft wegzulocken und mit Aufgaben zu betrauen, die man für ehrenwerter hielt. Solche Tendenzen wurde für lange Zeit von dem verstärkt, was man die Gegenreformation genannt hat, die Jagd nach Abtrünnigen und ihre Bestrafung. Nichts hätte kontraproduktiver sein können. Wer den Versuchungen des Fanatismus und der Intoleranz erlag, schädigte schliesslich sich selber. Die Wirtschaften der einstigen spanischen und portugiesischen Kolonien in Lateinamerika zahlen heute noch für diese Sünden der Vorfahren.

Eine ganze Serie von Erfindungen trugen im 18. Jahrhundert dazu bei, die Baumwollindustrie umzuwandeln, sie sorgten für eine neue Produktionsweise – das Fabriksystem. Parallel dazu machten andere Manufakturbranchen ähnliche und miteinander verknüpfte Fortschritte, stärkten und erweiterten sich gegenseitig.

Der Aufschwung beruhte auf drei Prinzipien: erstens der Ersetzung menschlicher Fertigkeit und Kraft durch Maschinen, die schnell, gleichmässig, präzise und ermüdungsfrei waren; zweitens der Ersetzung von lebenden durch unbelebte Energiequellen und drittens der Verwendung neuer, in Hülle und Fülle verfügbarer Rohstoffe. Im Speziellen wurden pflanzliche oder tierische Substanzen durch mineralische ersetzt und schliesslich, im zwanzigsten Jahrhundert, durch künstliche Materialien.

Diese Substitutionen machten den Kern der industriellen Revolution aus. Sie bewirkten einen rapiden Aufschwung der Produktivität und steigerten das Pro-Kopf-Einkommen. Und erstmals war dieses Wachstum selbsterhaltend. In früheren Zeiten hatten bessere Lebensumstände stets ein Bevölkerungswachstum zur Folge gehabt, das den Gewinn wieder zunichte machte. Jetzt waren bessere Lebensumstände ein Ansporn für weiteren Aufschwung. Die politischen Machtverhältnisse innerhalb der Nationen, zwischen den Nationen und zwischen den Zivilisationen veränderten sich. Die industrielle Revolution machte Europa und einige seiner überseeischen Ableger – allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika – weltweit führend, was Macht und Reichtum betraf, machte sie zu den Erfindern und Motoren der Moderne. Und sie veränderte die soziale und kulturelle Ordnung. Die Menschen dachten nicht mehr gleich wie früher.

Kann man diesen Prozess mit konkreten Angaben belegen? Die Forscher sind sich uneins in der Bedeutung, die sie einzelnen Bereichen der Innovation beimessen. Manche haben die Schwerindustrie lieber als die Leichtindustrie, schätzen Eisen und Kohle mehr als Wolle und Baumwolle. Ich würde den Ehrenplatz der Mechanisierung als einem generellen Phänomen einräumen sowie der damit verbundenen Arbeitsorganisation, die unter Aufsicht erfolgt und von Disziplin geprägt ist.

So wie ich es sehe, startete die technologische Revolution in England mit den Textilmaschinen in den 1760er und 1770er Jahren und den billigen Stoffen, die sie woben. Keine andere Industrie hatte ein grösseres Wachstumspotential, und keine hat das Leben der Konsumenten mehr verändert. So hat man etwa leicht übersehen, welche Bedeutung die Herstellung von billiger und waschbarer Unterwäsche hatte – sie setzte einen neuen Standard von Sauberkeit auch in anderen Bereichen wie etwa dem Essen, mit entscheidenden Folgen für die Gesundheit und die Erhaltung der Arbeitskraft. Man begann zu unterscheiden zwischen denen, die sich wuschen, und denen, die es nicht taten, zwischen sauber und schmutzig, gesund und kränklich.

Überflüssig zu sagen, dass diese Fortschritte der früh entwickelten Industrieländer andere anspornten, sie nachzuahmen und es ihnen gleichzutun. Schliesslich war damit Geld zu machen. Aber Wollen hiess nicht unbedingt auch Tun. Dazu war Wissen erforderlich, die Fähigkeit, die Produktion zu organisieren und zu rationalisieren, kommerzielle Erfahrung, Gesetze, die das Eigentum schützten und den Wandel möglich machten. Die Länder, die am besten gerüstet waren, dieses Ziel zu erreichen, waren die Länder des Westens. Den älteren Zentren des näheren und ferneren Asiens mangelte es an den kulturellen und institutionellen Voraussetzungen. Schlimmer noch: Sie neigten dazu, sich in einer Welt beunruhigender Herausforderungen noch stärker an die Tradition zu klammern.

Gewiss ist jedenfalls, dass die entwickelteren Staaten die Gelegenheit nutzten, ihre Produktion und Technik an Orte zu verlagern, wo die Arbeitskraft billig war. Dieser Prozess war genau das, was wir heute Globalisierung nennen – für viele ein schreckenerregendes Wort, ein Phänomen, das negative, ja gewalttätige Reaktionen hervorruft.

Würde man nach der Fülle dessen urteilen, was alles in jüngster Zeit darüber geschrieben wurde, käme man zum Schluss, die Globalisierung sei eine Erfindung des späten zwanzigsten Jahrhunderts. Tatsächlich dauert der Vorgang aber nun schon Jahrhunderte, begann mit der Erforschung neuer Landstriche, der Migration, der Ausnutzung kommerzieller Möglichkeiten. Er reicht zurück bis ins Mittelalter, sicher jedenfalls bis zur Öffnung der Welt, die die Umschiffung Afrikas einleitete. Es ist ein Prozess, dessen Intensität mehr oder weniger gross ist je nach den jeweils verfügbaren technologischen Möglichkeiten – wie neue Transport- und Kommunikationsmittel -, dem Auf und Ab des Geschäftslebens, den Unwägbarkeiten von Krieg und Frieden.

Zurzeit erleben wir eine Periode wirtschaftlicher Aktivität, einen Globalisierungsschub. Das ist eine gute Sache. Es ist eine Möglichkeit für die wirtschaftlich Zurückgebliebenen, zu lernen und aufzuholen, ein Weg für die Armen, aus ihrer Armut herauszukommen.

Angesichts dieser generell und letztlich günstigen Auswirkungen der Globalisierung muss man sich fragen, weshalb der Groll darüber und der Widerstand dagegen so gross sind.

Einer der Gründe ist die tiefe und weitverbreitete Überzeugung, der Graben zwischen den Reichen und den Armen sei der Fehler der Reichen, die Schwächen und Mängel seien von jemand anderem verursacht; im Speziellen die Ansicht, die fortgeschrittenen Industrienationen hätten ihre Macht dazu missbraucht, die Armen und Schwachen auszubeuten und auszuplündern. Nach diesem Szenario sind Imperialismus und Imperien Synonyme für das Böse.

Ein zweiter Grund, der in gewisser Hinsicht noch wirkungsmächtiger ist, ist das Gefühl, die Geschichte habe diesen Opfern Unrecht getan, habe sie, die einmal führend und massstabsetzend waren, auf die Seite geschoben, in die Schranken gewiesen und erniedrigt. An China und dem muslimischen Nahen Osten lässt sich beispielhaft studieren, wo die Gründe für solche Ressentiments liegen. Beide brachten sie sich selber in Armut, indem sie auf ihrer kulturellen und technischen Überlegenheit über die Barbaren ringsumher insistierten, indem sie es ablehnten, von Völkern zu lernen, die sie als minderwertig betrachteten. Hochmut ist ein Gift und kommt, wie das Sprichwort sagt, vor dem Fall.

Was China angeht, kostete die Weigerung, von den europäischen Eindringlingen zu lernen, das Land vierhundert Jahre eines möglichen Fortschritts. Westliche Sinologen versuchen bisweilen, die Chinesen zu trösten, indem sie den Vorsprung des Westens so spät wie möglich datieren und dessen Ausmass so gering wie möglich veranschlagen. Die Chinesen wissen es besser. Und weil sie es besser wissen, versuchen sie jetzt, etwas in der Sache zu unternehmen.

Doch im Vergleich zu China war das Scheitern der muslimischen Welt geradezu katastrophal. Denn ihre Antwort auf die Herausforderung der modernen Welt war nicht nur Abwehr, sondern die Intensivierung der traditionalistischen, in vieler Hinsicht lähmenden Aspekte ihrer Kultur. Um nur als Wichtigstes die Beziehungen der Geschlechter und die damit einhergehenden Ungleichheiten zu nennen: Sie sind älter als der Islam, aber sie sind von der Religion sanktioniert und verstärkt worden. Die Kosten dafür sind enorm. Unnötig zu sagen, dass der Ausschluss der Frauen aus einem Grossteil des öffentlichen und des Arbeitslebens einen schweren Verlust an Produktivität und Reichtum mit sich bringt.

Die Muslime selber räumen dies ein, versuchen die Ursache aber zu rechtfertigen als eine Quelle von Moralität und Tugend. Was sie dabei vollständig ausser acht lassen, ist der negative Effekt, den diese Ungleichheit auf die Männer hat. Man kann Männer nicht von Geburt auf als privilegierte Prinzen behandeln, ohne ihren Ehrgeiz zu beeinträchtigen, die besten ihrer Fähigkeiten zur Geltung zu bringen. Die Ergebnisse der industriellen Produktivität machen dies deutlich. Sie basiert fast vollständig auf Männerarbeit, und sie zeigt, dass die muslimischen Industrien hoffnungslos im Rückstand liegen, unfähig sind, in einem freien internationalen Markt zu bestehen. Die Muslime können zwar Öl exportieren, aber Telefonapparate, Fernseher und ähnliche Güter müssen sie im Ausland kaufen.

Das Bewusstsein dieser Niederlage nährt bei den Muslimen Zorn und Hass, auf den Westen im Allgemeinen und auf die Vereinigten Staaten von Amerika, die als Führer der feindlichen Kräfte angesehen werden, im Besonderen. Wohlmeinende Leute haben nach dem Terroranschlag vom 11. September versucht, die Wunden zu lindern, indem sie die humanen Aspekte des muslimischen Glaubens herausstrichen, darauf hinwiesen, dass im Islam der Selbstmord geächtet ist. Wir werden darauf hingewiesen, dass wir nicht im Krieg mit dem Islam sind. Das Problem ist jedoch, dass ein grosser Teil des Islam im Krieg mit uns ist.

Das ist ernst zu nehmen. Wir reden hier von einer Bevölkerung, die eine Milliarde übersteigt. Es kann nicht gutgehen, wenn all diese Menschen unglücklich, ja zornig sind. So müssen wir tun, was wir nur können, um sie auf einen produktiven Weg zu bringen, um ihre ökonomischen und sozialen Zielvorstellungen neu zu formen. Das wird unsere schöne neue Welt sein – eine, in der wir unseres Bruders Hüter werden, eine die uns gebietet, einander zu helfen. Es ist keine einfache Angelegenheit. Denn es ist allzu leicht für die Reichen und die Produktiven, sich ihrer Stellung zu erfreuen und den Rest der Welt zu ignorieren; und es ist nur zu leicht für die Armen und die Unproduktiven, anderen die Schuld an ihrer Lage zu geben und so ihren Groll zu nähren. Wir haben die Kenntnisse, wir haben die Mittel. Wir sollten in unseren Anstrengungen nicht nachlassen.

 

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