Digitale Models Die Synthespians kommen
Bits und Pixels unterwandern das Showgeschäft. Digitale Ersatzmenschen moderieren Nachrichten und schaffen es in die Charts.
Was ist künstlicher als Peter Pfändlers Grinsen in der «Schuldenshow»?
E-Cyas. Der Popper aus Bits und Pixels benimmt sich wie ein echter Star, gibt Interviews, hat blaue Augen und eine eigene E-Mail-Adresse. Er liebt Mangas, hört Kraftwerk, und für 250 000 Mark hat er ein Videoclip gedreht, das auf Viva rotiert: E-Cyas’ Single «Are You Real» hat sogar den Einstieg in die realen Charts geschafft.
Da muss ihn auch das Teenie-Heftchen «Bravo» auf den Starsockel heben: «Viel fehlt E-Cyas nicht zum Menschen», schreibt es. Dabei ist alles an ihm künstlich, sogar sein Name: E-Cyas ist die Abkürzung für Electronic Cybernetic Artificial Superstar.
Entworfen wurde der Avatar vor mehr als drei Jahren von der deutschen Web-Firma I-D Media und dem Computerhersteller Silicon Graphics. E-Cyas Körper besteht aus einer halben Million Polygonen, der Rest aus purem Marketing. E-Cyas ist Held der Chat-Plattform Cycosmos.de, hinter deren Fassade sich ganz normale Chatrooms verbergen. Einziger Unterschied: Beim Einstieg klappt erst ein riesiges Werbefenster auf, und I-D-Chef Bernd Kolbe schwärmt: «Avatare wie E-Cyas werden bald essenzieller Bestandteil der Markenführungsstrategie in Unternehmen sein.» Aha.
Tamagotchi, Kyoko Date, Busena und Lara Croft waren nur Spielzeuge, erste Gehversuche der Bit-Menschen im realen Geschäft. Was mit dem Stotterer Max Headroom – mit Latex-Maske und computergeneriertem Hintergrund – begann, wird nun deutlich: Bits und Pixels unterwandern das Showgeschäft. So moderierte Kira Day bis vor kur-zem noch eine Werbefilm-Show auf Sat 1: «Wir sind in Verhandlung für ein neues Engagement», sagt Frank Frings von der Produktionsfirma Pearson Television. Das Feedback der Zuschauer sei gross gewesen, «auch wenn es sich vor allem auf die Figur von Frau Day beschränkte – zu schlank, zu viel Oberweite. Oder zu wenig». Bei dieser Liebe zu weiblichen Formen konnte auch das ZDF nicht zurückstehen. Dessen Moderatorin Cornelia, nach dem Ebenbild einer Studentin gestaltet, führt durch die ZDF-Website und hat schon Auftritte am TV hinter sich.
Synthespians heissen diese digitalen Ersatz-Menschen. Der Begriff stammt von der Trickfirma Kleiser-Walcak, die an bahnbrechenden Computeranimationsfilmen wie «Tron» beteiligt war. Im Kino setzen sich die billigen und willigen Schauspieler mangels Akzeptanz wohl kaum so schnell durch; die Macher von «Toy Story 2» haben sich deshalb beim Programmieren von Menschen zurückgehalten. Doch auf anderen Gebieten rücken die Virtuellen vor.
Ananova ist Nachrichtensprecherin der britischen Agentur Press Association und soll im April erstmals am Newsdesk sitzen. Sie ist eine aufs Alter 28 getrimmte Schönheit und hat den Vorteil, dass sie sich nie verhaspelt. Sie spricht, was gerade an News hereintickert – im passenden Tonfall zum Inhalt der Meldungen. Und wenn einst die Technologie so weit ist, wird sie jeden Abonnenten persönlich auf dem Handyscreen anlächeln und informieren.
«Ananova verbreitet Nachrichten schneller als jeder Mensch», sagt Marketingdirektorin Vivienne Adshead. Von solch digitalen Assistenten schwärmt auch die Genfer Professorin Nadja Magnenat-Thalmann. Künstliche Menschen werden die Gesellschaft leiten», sagt sie. «Und sie machen uns weniger einsam. Sie werden immer um uns sein.» Seit Jahren forscht sie mit ihrem Team am Miralab am perfekten künstlichen Menschen, bekannt wurde sie mit ihrer Marilyn-Monroe-Simulation. «Künstliche Menschen müssen schön sein», sagt sie, «anmutig und lebendig.» Und müssen sich auch so verhalten. Wie Klone eben.
Plappermäulchen wie Ananova würde TV3-Chefredaktor Klaus Vieli nie engagieren. «Ich bin zwar ein alter Fan von Max Headroom», sagt er, «doch noch lieber habe ich Bildschirmpersönlichkeiten aus Fleisch und Blut.» Pfändlers Grinsen scheint eben schon virtuell genug.