Die Bar TV3 «Baren» vor laufender Kamera
Während in der Schweiz mit «Die Bar« auf TV3 die nächste Doku-Soap anläuft, spricht man in Schweden bereits von einer Harem-Show.
Diesem Typ möchte man ins Westentäschchen flennen. Er hat das Flair eines Sonnyboys, eines guten Kumpels und väterlichen Onkels. Ein Glas heben mit Eric Blass – und die Welt sieht besser aus. Wenigstens für eine kurze Weile.
Eric Blass ist der Mann für die Bar. Gross gewachsen, rötliche Haare, Sommersprossen und ein wissendes Lächeln. Dieses scheint zu bezeugen, dass ein kleines Geheimnis bei Blass gut aufgehoben ist, wenn es ihm denn am Tresen zukommt.
Der Mann gehört zur Gastroszene wie das Niederdorf zum Zürcher Nachtleben – oder wie dieses zumindest einmal dazu gehörte. Das Niederdorf gilt heute in der Szene nämlich als vorgestrig. Die Reality-Soap von TV3, «Die Bar», soll nun dem Viertel wieder neuen Glanz verleihen. Das ist zwar nicht allen Anwohnern ganz geheuer, weil sie nächtlichen Radau befürchten. Doch der Stadtrat hat das Event auf Zusehen hin bewilligt.
Mit dabei ist der Gastronomie-Experte Eric Blass. Mit seinem Fachwissen wird er die Mitspieler in die Kunstfertigkeiten eines Barkeepers einführen. Wer glaubt, es sei damit getan, ein Glas Bier abzufüllen, irrt sich. «Man muss gleichzeitig das richtige Ambiente verbreiten und oft noch Klagemauer spielen», sagt Blass. Er sitzt gerade im Szenelokal «Örliker Giesserei-Bar», das er als Geschäftsführer leitet.
Die Etikette «Szenelokal» kommt der Bar «Zic Zac» von der Christian-Kramer-Gastronomie nicht zu. «So etwas würde ich kaum je führen.» Doch durch die TV-Produktion fühlt sich Eric Blass beruflich herausgefordert: «Obwohl ich mit Serien wie ‹Big Brother› meine liebe Mühe habe.»
Das zur –-Herausgeberin Tamedia gehörende TV3 versucht mit der «Bar» ein weiteres Event zu lancieren. Nach «Big Brother» erreichten Formate wie «Klassenfest» oder «Libero» nur rund halb so viele Zuschauer.
«Baren» heisst die gleiche Serie in Schweden. Sie wurde in Skandinavien zu einem grossen Erfolg, weil die Zuschauer in der Bar den direkten Kontakt zu den Mitspielern suchen können. Nach dem «Big Brother»-Prinzip wird zudem jede Woche ein Mitspieler abgewählt. Der Sieger erhält am Schluss 150 000 Franken Preisgeld.
Die Kandidaten müssen die Bar nach wirtschaftlichen Grundsätzen führen. Damit das Unternehmen nicht gleich ein finanzielles Fiasko wird, führt Eric Blass die Mitspieler in die Geheimnisse seines Berufslebens ein. «Sie müssen nicht nur Rechnen können, sondern über emotionale Intelligenz verfügen», sagt er.
Diese Eigenschaft ist in doppelter Hinsicht nützlich: Für das erfolgreiche Geschäften ebenso wie für die Auseinandersetzungen in der Gruppe. Denn die Kandidaten werden in «Big Brother»-Manier 24 Stunden lang von Kameras beobachtet. Da hoffen die TV3-Leute, dass die Post wie im Container abgeht. Prüderie vor der Linse ist schlecht fürs Geschäft.
Bei TV3 ist man in dieser Hinsicht allerdings guter Dinge. Der Sender setzt unverdrossen auf Reality-TV. So dräut im Januar eine neue Staffel von «Expedition Robinson». Die Idee zu dieser Serie stammt wie «Die Bar» von der schwedischen Produktionsfirma Strix, die sich zu einem Trendsetter in der Branche entwickelte. Schliesslich könnte bei TV3 im Frühjahr eine dritte Staffel «Big Brother» folgen. Entschieden ist noch nichts, der Container in Glattfelden steht aber noch immer bereit.
Grenzen für das Reality-TV scheint es derzeit nicht zu geben. Strix arbeitet gegenwärtig an der Produktion «The Farm». Da müssen tapfere Menschen im Stil des 19. Jahrhunderts bauern. In Schweden wird heftig darüber debattiert, ob auch das Schlachten von Schweinen im Grossvaterstil dazugehöre – besorgten Tierschützern ein Grauen.
Ebenso für Gesprächsstoff wird eine Doku-Soap mit dem verheissungsvollen Titel «The Harem» sorgen. Kuppelshows wie «Temptation Island» hielten zwar in der Vergangenheit nicht ganz, was man sich davon versprechen konnte. Doch vielleicht ist orientalische Harems-Atmosphäre im hohen Norden hormonell anregender.
Bis jetzt ist die PR-Maschine für «The Bar» im Sinn der TV3-Programm-Verantwortlichen nicht schlecht angelaufen. Besonders die Anwohner im Niederdorf sorgten mit ihren Protesten für etwas Publizität. Eric Blass nimmt zu Recht an, dass die Kandidaten bei etwas Publikumszuspruch ihre kurze Time of Fame geniessen werden. «Ich selber will nicht zur Cervelat-Prominenz gehören», sagt er. Auch eine Image-Verbesserung für sein Gewerbe erwartet Blass nicht. «Aber es könnte Vereinzelte animieren, sich einmal als Barman zu versuchen.» Während einer gewissen Zeit sei dieser Job nämlich durchaus zu empfehlen. «Man kann jedoch nicht ewig an der Front stehen.» Darum versucht er sich jetzt einmal als Berater für Anfänger.