Giftige Welle

Giftige

Nach der Umweltkatastrophe fragt man sich in Osteuropa: Wer macht den Schaden gut?

Es waren Bilder einer neuzeitlichen Apokalypse, die Ungarn letzte Woche erschütterten: Blutrot angelaufene Fische, in letzten Zuckungen oder schon leblos, wurden von Männern in den Drillichanzügen des Zivilschutzes zentnerweise in Containern gestapelt. Silbrig schimmernde Fischbäuche trieben langsam auf der Oberfläche der Theiss, Ungarns zweitgrösstem Fluss. Der erste verendete Seeadler, als Fischjäger Opfer der Nahrungskette, landete mit im Todeskampf gespreiztem Gefieder auf dem Seziertisch der hilflosen Tierärzte.

Die 100 000 Kubikmeter umfassende, zyanid- und schwermetallhaltige Giftlauge, die am 30. Januar aus einer leck gewordenen Goldmine bei Baia Mare in Rumänien entströmt war, bahnte sich eine Spur des Todes und der Vernichtung durch den Osten Europas. Nach wenigen Dutzend Kilometern im rumänischen Abschnitt des Somes erreichte sie ungarischen Boden, floss dort in die Theiss, wo sie nach ersten Einschätzungen den gesamten Fischbestand ausrottete.

Auf serbischem Gebiet setzte sie den biologischen Kahlschlag fort, vernichtete das Leben im Theiss- Abschnitt der nördlichen Provinz Vojvodina und verursachte selbst in der Donau, in die die Theiss mündet, den Beginn des Fischsterbens. Ironie der Geschichte: Über die Donau wird die Lauge in den kommenden Tagen nach Rumänien zurückfliessen – allerdings dürfte bis dahin die Giftkonzen-tration unter die tödlichen Werte abgesunken sein.

Doch in Ungarn, wo in der Theiss alles Leben erstarb, herrschten Trauer und Bitterkeit. Schulmädchen warfen mit Tränen in den Augen Blumen in den toten Strom. Im Hafen von Szeged wurden schwarze Fahnen ausgehängt. Rund 400 Berufsfischer sehen einer Zukunft ohne Arbeit entgegen. Hunderttausende Hobby-Angler sind um ihr Freizeitvergnügen gebracht. «Wenn ich pessimistisch sein will», sagt der Szegediner Hydrologe Elemér Szalma, «wird sich das Leben in der Theiss nie wieder erholen, wenn ich optimistisch sein will, dann in zehn bis zwölf Jahren.»

Während die Zyanide ihre Opfer durch innere Erstickung töten – deshalb die blutrot angelaufenen Fische –, aber mit der Flut des Wassers wieder verschwinden, lagern sich die mitgeschwemmten Schwermetalle (Blei, Zink und Kupfer) auf dem Flussgrund ab.

Deshalb sind die Langzeitfolgen unabsehbar. Von der «schlimmsten Umweltkatastrophe der Region seit Tschernobyl» spricht Zoltán Illés, der Vorsitzende des Umweltausschusses im ungarischen Parlament. Und von der hässlichen Fratze des «Öko-Kolonialismus».

Denn der Verursacher, das rumänische Goldbergwerk, hat einen australischen Mehrheitseigentümer, die Esmeralda Exploration Ltd. mit Sitz in Perth.

Das Verfahren, Edelmetalle mit hochgiftigen Zyanid-Lösungen auszuschwemmen, sei in den Industriestaaten längst verboten, kritisieren auch Umweltschutzorganisationen. Global agierende Bergbaukonzerne würden jedoch in Ländern mit einer laschen Umweltschutzgebung und -praxis immer noch diese gefährliche Technologie anwenden.

Ungarn wolle «alle zu Gebote ste-henden Rechtsmittel ausschöpfen», um Schadenersatz einzufordern, liess der ungarische Aussenamtssprecher Gábor Horváth bereits verlauten. Der rumänische Staat – immerhin Minderheitseigentümer der Goldmine – will jedoch nicht zahlen. Und das Managementder Esmeralda Exploration Ltd. bestreitet sogar, dass es eine Katastrophe gab. Der Weg der Privatklage vor rumänischen und australischen Gerichten scheint damit langwierig und ungewiss, weil die Haftungsfrage bei grenzüberschreitenden Umwelt-Desastern nicht geregelt ist.

Angesichts dieser Aussichten for-derte der australische Grünen-Senator Bob Brown, dass gegen globale Umweltschänder analog verfahren werden soll wie gegen Päderasten: Die werden inzwischen auch dann von inländischen Gerichten bestraft, wenn die Kinderschändung im Ausland begangen wurde.

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