Deep Blue – Schach dem Chip

Deep Blue - Schach dem Chip

Die Menschheit bekommt die Gelegenheit zur Revanche: Weltmeister Wladimir Kramnik spielt gegen den Computer Deep Fritz.

Es war ein kleiner Schritt für Deep Blue, aber ein grosser Schritt für die künstliche Intelligenz: Bauer auf Feld c4 lautete 1997 der letzte Zug des Schachcomputers, mit dem Deep Blue Weltmeister Garry Kasparow vom Brett fegte. Die künstliche hatte erstmals über die menschliche Intelligenz triumphiert. Entsprechend fett fielen die Schlagzeilen aus. «Armageddon!», titelte das Schachmagazin «Inside Chess». Die «New York Times» schrieb: «Auf brüske und brutale Art hat der IBM-Computer Deep Blue die Menschheit auf den zweiten Platz verwiesen.»

Die Menschheit bekommt nun Gelegenheit zur Revanche. Schachweltmeister Wladimir Kramnik tritt gegen den Schachcomputer Deep Fritz an. «Mensch gegen Maschine» nennt der englische Organisator «Brain Games» die Neuauflage des Duells. Das Spiel findet im Januar 2002 in Bahrain statt, auf brainsinbahrain.com soll es jeder live verfolgen können.

Dass es Kasparows Niederlage vor vier Jahren in alle Nachrichtensendungen schaffte, lag nicht nur an der breiten Werbekampagne von IBM, sondern am Symbolgehalt der Partie. Seit sich der Mensch die Maschinen als Gehilfen geschaffen hat, plagen ihn unterschwellige Ängste vor den scheinbar fügsamen Hilfskräften. Stete Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz geben diesen Befürchtungen neue Nahrung. «Schachcomputer fordern die Menschen erstmals in ihrer ureigenen Stärke, der Intelligenz, heraus, und das kann bald in vielen Bereichen geschehen», sagt Schachexperte Frederic Friedel, der 1997 zu Kasparows engsten Betreuern zählte und nun das Projekt Deep Fritz leitet.

Im Duell Chip gegen Gehirn kann die Menschheit auf einen erstklassigen Vertreter hoffen. Schachweltmeister Wladimir Kramnik, 26, schlug seinen Vater bereits mit vier Jahren beim Schachspielen, mit elf wurde er in Kasparows Schachakademie aufgenommen und letzten November entthronte er seinen Ziehvater Kasparow nach 15 Jahren Weltmeistertitel. Eine Eigenschaft wird Kramnik im Spiel gegen Deep Fritz besonders zugute kommen. Man nennt ihn, auf Grund seines stählernen Nervenkostüms, auch den Eisberg. Im Wettstreit mit dem Computer spielt psychische Stärke eine zentrale Rolle.

Kasparow beschuldigte IBM nach dem Spiel der Manipulation

«Kasparow wurde von der Maschine nicht geschlagen, er hat sich selbst umgebracht», sagt Frederic Friedel, «im letzten der sechs Spiele hat er gar nicht mehr gespielt. Es war, als hätte Mike Tyson in einem Boxkampf die Ringmitte betreten und wäre sofort ohnmächtig umgefallen.» Später beschuldigte Kasparow IBM, ein Mensch habe während der Partie eingegriffen. «Einige der Entscheidungen von Deep Blue konnten unter anderen Bedingungen nicht wiederholt werden», sagte der ehemalige Weltmeister gegenüber dem englischen «Guardian». IBM wies alle Vorwürfe von sich. Überprüfen kann man allfällige Ungereimtheiten heute nicht mehr am Orginalrechner, Ungetüm Deep Blue wurde schon kurz nach dem Jahrhundertspiel zerlegt.

Die meisten Experten glauben nicht an Foul Play, kritisieren jedoch das Verhalten von IBM und die Bedingungen, unter denen der Wettkampf stattfand. Kasparow sei «psychisch malträtiert» worden, sagt Friedel. Martin Zentner von der International Computer Chess Association erzählt: «Sie haben ihm einen Operateur gegenübergesetzt, der nichts mit dem Projekt zu tun hatte und der mit völlig unbeweglicher Miene die Züge des Computers ausführte. Jeder Programmvater wäre unruhig auf dem Stuhl herumgerutscht.»

Deep Fritz gewann bereits 1995 gegen Deep Blue

Weitaus günstigere Voraussetzungen hat sich Wadimir Kramnik nun ausgehandelt. Kasparow bekam keine einzige Partie von Deep Blue vorher zu Gesicht, was im Schach unüblich ist. Kramnik kann gegen eine ältere und langsamere Version von Deep Fritz monatelang trainieren. Die IBM-Programmierer nahmen zwischen jedem der sechs Spiele Änderungen an ihrer Maschine vor, Deep Fritz wird von der ersten bis zur achten Partie gegen Kramnik unverändert ins Rennen gehen. Und während Kasparow gegen Deep Blue bis zur Erschöpfung spielte, erhält der neue Weltmeister nach sechs Stunden eine Pause.

Kramniks Gegner Deep Fritz qualifizierte sich in einem harten Aussscheidungskampf gegen Programme wie Shredder und Deep Junior. Im Innenleben von Fritz stecken zehn Jahre Entwicklungsarbeit, vertrieben wird die Software von der deutschen Firma Chessbase, die den Markt der Schachprogramme weltweit dominiert. Pikantes Detail: Fritz gewann bereits 1995 gegen Deep Blue.

Ob das virtuelle Superhirn nun auch Kramnik bezwingt, wagt niemand zu prophezeien. Einig sind sich die Experten, dass Kramnik kein leichtes Spiel erwartet. «Fritz ist ein Raufbold, ein Strassenkämpfer», sagt Mitentwickler Friedel. Kramnik dürfe sich keinesfalls in Nahkämpfe verwickeln lassen, denn im Errechnen von Stellungen ist Fritz unschlagbar: Bis zu sechs Millionen Züge pro Sekunde errechnet die Software auf einem Computer mit acht Prozessoren. Die Stärke der menschlichen Schachspieler liegt hingegen im strategischen Vorausplanen.

Beinahe menschliche Züge bekommt Fritz, wenn sein Projektvater Friedel über ihn spricht: «Fritz ist ein Freund, ein Mitglied der Familie. Wir besprechen jeden Tag miteinander, was in der Welt des Schachs so passiert», sagt Friedel. Und in diesem Sinne ginge der Punkt auch bei einer Niederlage Kramniks nicht einfach an eine seelenlose Maschine.

Leave a Reply

Esta web utiliza cookies propias y de terceros para su correcto funcionamiento y para fines analíticos. Al hacer clic en el botón Aceptar, acepta el uso de estas tecnologías y el procesamiento de tus datos para estos propósitos. Ver
Privacidad