Schönheit muss leiden
Ob Mister Schweiz, Mister Gay oder Mister Stripper: Regelmässig lassen die Managements ihre Beaus im Regen stehen.
Corina strahlt. Die Blondine hat ein Tête-à-tête mit dem schönsten Mann im Land: Mister Schweiz, Viktor Borsodi, 33, fährt Corina mit einer Luxuslimousine zum Candle-Light-Dinner. Er tut das nicht nur zum Vergnügen. Mister Schweiz lässt sich für Dates engagieren. Corina hatte das Rendezvous bei einer PR-Aktion einer Autoverleihfirma gewonnen.
Die Idee zur Eigenvermietung stammt von Borsodi selbst. Sechs Monate nach seiner Wahl zum schönsten Schweizer hat er erkannt: Mister Schweiz muss sich verkaufen, wenn er etwas verdienen will. Darum vertreibt Borsodi jetzt ungarisches Bier mit seinem Namen und Konterfei. Er tritt in Landdiscos als Tänzer auf oder bügelt Herrenhemden für das Guinness-Buch der Rekorde.
Wer glaubt, mit dem Gewinn eines Mister-Titels stehe er automatisch am Anfang einer lukrativen Karriere, irrt. Ob Mister Schweiz, Mister Gay oder Mister Stripper: Die Managements lassen ihre Beaus im Regen stehen. Meist melden sie sich nur, wenns ums Kassieren geht. Bei jedem Engagement bekommen die Manager nämlich bis zu 50 Prozent der Gage. Egal, ob sie oder ihr Schützling sich um den Auftrag bemüht haben.
Jeder und jede kann eine Schönheitskonkurrenz durchführen. Es braucht weder einen Fähigkeitsausweis noch einen Leistungsnachweis. Ein wenig Startkapital für die Saalmiete und eine Hand voll williger Kandidaten genügen. Das Business ist ein Tummelplatz für Leute mit grossen Ambitionen und wenig Know-how.
Reale Aussichten auf eine Karriere hat einzig Miss Schweiz. Zu verdanken hat sie das dem Management von Karina Berger, selbst Ex-Miss-Schweiz. Berger arbeitet professionell und erstellt für die Amtsinhaberin einen ausgeklügelten Marketing-Plan – ganz im Gegensatz zu den Managern der gewählten Mister.
Eine amtierende Miss kann bis 200 000 Franken pro Jahr verdienen.
Dabei steckt auch im Mister Schweiz viel ungenutztes Potenzial. Der schöne Viktor ist ein Mann mit vielen Talenten und einem schier unerschöpflichen Vorrat an Ideen, wie er seinen Titel Gewinn bringend umsetzen könnte. Ganz im Gegensatz zu seinem Management, der Men’s World GmbH und deren Chef Ruedi Schmid. Die Firma besitzt alle Rechte am Titel «Mister Schweiz» und müsste den Sieger betreuen und ihm möglichst viele lukrative Jobs besorgen. Doch dazu ist die Men’s World GmbH nicht im Stande. Ein einziger Sponsor bucht Mister Schweiz regelmässig, Sportartikelhersteller Puma. Ansonsten hat Viktor Borsodi weder regelmässige Werbeaufträge noch grosse Engagements. Neuerdings hat er nicht einmal mehr seine Siegerprämie, den nagelneuen silbrigen Porsche. Der steht nämlich da, wo er herkommt, in der Porsche-Garage im Zürcher Seefeld. Zu Borsodis Überraschung hatte ihn die Men’s World GmbH dort geleast – für 20 000 Kilometer.
Noch schlechter erging es Mister Stripper, Faustino Mariblanca, 26. Ihm stellte Organisator Salvatore Fisicaro beim Sieg «ein Auto» in Aussicht. Marke unbekannt. Es blieb beim vagen Versprechen – Mariblanca sah keinen Wagen. Und Manager Fisicaro suchte bald das Weite: Nur der Schuldenberg von über 40 000 Franken erinnerte noch an ihn. Das Nachsehen hatte in dem Fall der Sponsor der Mister-Stripper-Wahl, Erwin Freiburghaus. Der Chef der Rümlanger Schmuckfirma Alpwin hat noch 22 000 Franken für Saalmiete, Beleuchtung und Sicherheitsdienst von Fisicaro zugut.
Mister Schweiz Borsodi und Mister Stripper Mariblanca wurden um ihre Preise geprellt. Obwohl ein versprochener Preis bei einer Schönheitskonkurrenz bindend ist und vor Gericht einklagbar wäre. Doch die zwei Schönen wollen sich nicht auf die Äste hinauslassen. Mariblanca möchte die unerfreuliche Geschichte «möglichst schnell vergessen». Und Borsodi hüllt sich in Schweigen. «Ich kann dazu nichts sagen», sagt Mister Schweiz. «Es steht mir nicht zu, mich öffentlich über mein Management zu äussern.»
Die Zurückhaltung des sonst sehr kommunikativen Mister Schweiz hat ihre Gründe. «Er darf nichts sagen», heisst es in seinem privaten Umfeld. «Wenn sich Viktor negativ über sein Management äussert, könnte er den Titel verlieren und müsste mit einer saftigen Schadenersatzklage rechnen.»
Es ist ein offenes Geheimnis in der Schweizer Show-Szene, dass Borsodi unter der mangelnden Unterstützung seines Managements leidet. In der Sendung «Lifestyle» von Tele 24 gab Borsodi zu, dass es im letzten Sommer Streit zwischen ihm und seinem Manager, Men’s- World-Chef Schmid, gegeben habe. Freunde von Borsodi wissen, dass er vor zwei Wochen eine Palastrevolution plante. Er wollte die Men’s World GmbH zwingen, einen kompetenten Marketingfachmann beizuziehen. Ohne Erfolg. Das Management will keine Unterstützung von aussen. Das Problem liegt laut Schmid beim Mister Schweiz selbst: «Viktor erwartet einfach viel zu viel. Aber der Titel ist ausdrücklich ein Nebenjob, kein Broterwerb.»
Nicht jede Hilfe ist gut gemeint. Das musste Mister Stripper Faustino Mariblanca am eigenen Leib erfahren. Nach dem Verschwinden seines Managers anerbot sich der Geschäftsführer der Modelagentur Stargate, Bruno Hartmann, sich um seine Karriere zu kümmern. Das Ergebnis war niederschmetternd. Mister Stripper musste für Stargate an Modeschauen auftreten. Ohne jede Gage. Winkte einmal eine Spesenentschädigung von 500 Franken für einen Auftritt in der Sendung «Schlag auf Schlager» im SF DRS, strich Manager Hartmann sie selbst ein. Mariblanca wurde es zu bunt. Er trennte sich im Streit von seinem Ersatz-Manager.
Weniger böse Absicht als schlicht Unfähigkeit wird dem Organisator der Mister-Gay-Wahlen vorgeworfen. Seit zwei Jahren kümmert sich Luis Pestana mit viel Idealismus und wenig Know-how im Alleingang um die Wahlen, bei der vor kurzem der Romand Ian Hubert zum schönsten Schwulen erkoren wurde. Doch der Genfer ist kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getreten. Er steht im Schatten seines Vorgängers Valentino Sivilica, 27, der immer noch regelmässig in den Klatschspalten auftaucht. Dank dessen Strahlemann-Image machte der Titel «Mister Gay» einen Quantensprung. Sivilica, Charmeur mit den strahlend blauen Augen und Zahnpastalächeln, entpuppte sich als geborener Showmann und war schnell Dauergast an Promipartys und in Talkshows.
Den Erfolg hat sich Ex-Mister-Gay selber erarbeitet: «Nach meinem Sieg hatte niemand eine Ahnung, was mit mir anzufangen sei», sagt Sivilica. Schon gar nicht Organisator Pestana. Der hat mit den Mister-Gay-Wahlen und Benefizpartys für Schwule sehr viel Geld verloren und steht am Rand des Ruins. «Luis ist ein lieber Kerl, aber geschäftlich total unfähig», sagt Sivilica, der wie Mister Schweiz Borsodi erkannt hat, dass nur Eigeninitiative Geld bringt.
Das kann sich die weibliche Schönheitskönigin sparen. Ihre Jobs besorgt ihr die Managerin Karina Berger. Sie sorgt nicht nur für ein volles Auftragsbuch, sondern auch für ein gewisses Niveau der Aufträge. Berger baute das Image der Miss Schweiz in jahrelanger Arbeit auf. Das hat seinen Preis. Bis zu 4000 Franken kostet Miss Schweiz pro Tag.
Das kam vor zwei Jahren einem gewissen Harry Gross zu Ohren. Gross war damals Organisator und Manager der Mister-Schweiz-Wahl. Er witterte das grosse Geld und forderte für den damaligen Mister Schweiz, Tamim Kandil, horrende Gagen. Die Migroszeitung «Brückenbauer» sollte für Modeaufnahmen mit Kandil die unglaubliche Summe von 12 500 Franken zahlen. Kandil hielt aus Loyalität und gutem Glauben zu seinem Manager. Das Resultat war für ihn niederschmetternd. Er stand in der Öffentlichkeit plötzlich als grössenwahnsinnig und geldgierig da. «Ich habe meinem Manager vertraut und voll in die Tinte gegriffen», sagt Kandil. Heute managt er sich selber und hat mehr Modeljobs denn je.
Chaos und Missstände halten die Mister-Macher nicht davon ab, weiter ihr Glück zu versuchen. Bestes Beispiel: der verschwundene Mister-Stripper-Organisator Salvatore Fisicaro. Der ist nämlich wieder aus der Versenkung aufgetaucht. Der Geschäftemacher sucht gegenwärtig mit Flyern nach jungen Männern für einen «Multi-Talent 2000»-Wettbewerb. Diesmal will er ganz hoch hinaus und verspricht dem Sieger als Hauptpreis ein Ultraleicht-Flugzeug.