Psychologen Online – Der virtuelle Kummerkasten

Psychologen Online - Der virtuelle Kummerkasten

Wer mit seinen psychischen Problemen anonym bleiben will, flüchtet sich ins Internet und sucht dort Rat.

Im Bett läuft gar nichts mehr, die Karriere ist im Eimer, oder der Pleitegeier kreist: Was Sie jetzt brauchen, ist kostenlose Seelenhygiene. Diese liefert die Schweizer Post – per E-Mail gratis ins Haus. Die psychologische Online-Beratung ist auf dem Post-eigenen Portal yellowworld.ch zu haben. Fünf anerkannte Psychologen und der Elternnotruf leisten unentgeltlich erste Psychohilfe übers Netz.

Wie die Post bieten unzählige Ratgeber ihre Psycho-Dienste an. Wer «Psychologische Beratung online» in die Google-Suchmaschine eingibt, wird mit 350 Treffern belohnt. Vielen ist der Gang zum Seelenklempner zu aufwändig. Statt auf der Couch zu liegen, schreiben sie sich lieber übers Netz die Sorgen von der Seele.

Gefragt sind Distanz und Diskretion, wie sie die Post online bietet. Nach dem ersten E-Mail-Kontakt zu einem der Pöstler-Psychologen kommt innerhalb von zwei Arbeitstagen eine Antwort. Eine 42-jährige Frau berichtet von ihrer Angst vor körperlicher Nähe gegenüber ihrem Freund. Zwei Tage später erkundigt sich ein Psychologe nach den näheren Umständen dieser Hemmungen. Wie sich zeigt, vergnügt sich der Partner dieser Ratsuchenden gerne ausser Haus.
«Die Nachfrage nach psychologischer Beratung ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen», sagt der Aargauer Fachpsychologe FSP und Internet-Beratungsexperte Josef Lang. Er schöpft aus reicher Erfahrung. Seit drei Jahren bietet er, nach eigenen Angaben als Erster im deutschsprachigen Raum, auf einer Homepage Hilfeleistungen bei Paarproblemen an. Sein Spezialgebiet sind zerrüttete Beziehungen. 1000 Leute besuchen seine Site www.paarberatung.ch jede Woche.

Psychologe Lang nimmt sich für jedes Beratungsmail mindestens 30 Minuten Zeit. Dafür verlangt er nach dem zweiten Mail neuestens einen Fixbetrag von 30 Franken. Die meisten Kunden seien jedoch nicht bereit zu zahlen «und wünschen nur eine erste Gratisantwort». Während der ersten drei Jahre erhielt Lang bis zu zehn Beratungsanfragen pro Woche. Er verdiente in dieser Zeit gerade mal 200 Franken.

Auch die Post hat erkannt, dass sie mit dem Beratungsangebot nie Geld verdienen wird. Mit ihrem Psycho-Angebotslieferanten Swisscontent ist sie nur einen Vertrag bis Ende Jahr eingegangen.
Der Online-Dienst Swisscontent investierte nach eigenen Angaben 20’000 Franken in die mindestens viermonatige Pilotphase des Projekts. Bendicht Luginbühl, CEO von Swisscontent Corporation, glaubt, dass Psychologie online langfristig ein Megatrend ist, für den der Kunde in Zukunft bezahlen muss. Seine Psychoberatung wird nach Yellowworld auf anderen Portalen weiterlaufen. Noch will er die Adressen nicht bekannt geben. Sicher ist jedoch: Künftig wird die virtuelle Couch nicht mehr kostenlos sein.

Wichtig ist für Luginbühl die «Glaubwürdigkeit» des Dienstes. «Dafür muss man härter arbeiten als für Schindluderei», sagt er. Noch haben die seriösen Anbieter einen schweren Stand gegenüber den zahlreichen zweifelhaften parapsychologischen und astrologischen Angeboten im Netz.
Ein Paradebeispiel für das Geschäft mit dem Übersinnlichen ist Jsmondera, so der vergeistigte Name eines Beraters, dessen Dienste quasi zwischen Himmel und Erde angesiedelt sind. Seit einem Jahr macht sich der Meister des Lichts das Medium Internet zu Nutze. Eine E-Mail-Beratung kostet bei Jsmondera zwar nichts. Aber er hofft, via das Virtuelle Kunden anzulocken. Diese können sich von ihm persönlich oder per Fernbehandlung beraten lassen. Jsmondera unterschätzt seine Fähigkeiten nicht: «Ich bin auf der Erde und zeige den Menschen den Weg ins Licht und in die Unsterblichkeit der Ewigkeit des Jenseits.» Oder pro- saischer: «Wenn einer über einen Handschlag den Fluch eines Mafioso erwischte, so kann ich ihm auch aus der Ferne helfen.» Kostenpunkt 300 Franken.

Jekami im Psycho-Netz. Marianne Von Allmen lindert Seelenschmetter mit spiritueller Psychologie per Mail. Aber nur gegen Vorauszahlung von 70 Franken. Auch bei Lebensberaterin Ursi Spaltenstein läuft nichts ohne Kohle. Sie bietet psychologische oder astrologische Beratung im Chatroom an – für 140 Franken die Stunde. Und Astro-Beraterin Marie-Anne Vido lässt ihre Intuition und ihr Gespür nur gegen Vorauszahlung von 100 Franken einfliessen.
Die Föderation der Schweizer Psychologen und Psychologinnen FSP hat «grundsätzlich nichts gegen seriöse Angebote im Netz», sagt FSP-Sprecher Daniel Habegger. Aber damit sich diese Beratungen durch einen einheitlichen Qualitätsstandard eindeutig von dubiosen unterscheiden können, setzt die FSP auf ethische Richtlinien. Diese wurden vom Internationalen Psychologenverband für Online-Angebote erarbeitet. Für die qualifizierte Psychologie sollen sie in etwa einem Jahr gesamteuropäischer Standard werden. Beim FSP weiss man jedoch, dass man gegen zweifelhafte Beratungen nicht vorgehen kann.
Wenn die Psychoberatung bei yellowworld.ch Ende Jahr eingestellt wird, findet die Beratung damit kein Ende. Dann gibt es kompetente Ratschläge in Sachen Philatelie – ein etwas unverfänglicheres Thema.

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