Mord, Sex und Politik
Der einstige deutsche Spitzenpolitiker Jochen Wolf wollte seine Ex-Frau umbringen lassen. Und sitzt nun selber im Gefängnis.
Hollywood würde sich um den Stoff reissen: In der Geschichte über Aufstieg und Fall eines Spitzenpolitikers kommt alles vor, was es für einen spannenden Plot braucht: Mord, Sex, Politik und Korruption. Doch Ort der Handlung ist nicht New York oder Los Angeles, sondern der graue Osten Deutschlands, weshalb Brandenburgs ehemaliger SPD-Bauminister Jochen Wolf seine Geschichte nie im Kino sehen wird.
Seit Ende Juli sitzt der 59-Jährige in U-Haft. Dort gab er zu, dass er einem Killer 15 000 Mark für die Ermordung seiner 54-jährigen Gattin Ursula bezahlen wollte. Der Plan scheiterte, weil der ehemalige Spitzenpolitiker keinen Profi suchte, sondern vor anderthalb Jahren mit Ralf M. den erstbesten Kleinkriminellen anheuerte, der ihm zufällig über den Weg lief. Der vermeintliche Killer steckte eine Anzahlung von 5000 Mark ein und dachte keine Sekunde daran, Wolfs Ehefrau umzubringen. Stattdessen offenbarte er sich ein halbes Jahr später der Potsdamer Kripo, die Jochen Wolf in eine sorgfältig inszenierte Falle lockte, die Ende Juli zuschnappte.
Ralf M. tat so, als ob der Mord unmittelbar bevorstehe, worauf sich Wolf zwecks Alibi-Beschaffung für einige Tage in die Ukraine absetzte. Nach der Rückkehr verabredete sich der mit Polizei-Mikrofonen verwanzte Ralf M. mit seinem Auftraggeber am Berliner Bahnhof Zoo, meldete den Vollzug des Auftrages und verlangte seine restlichen 10 000 Mark. Als Wolf erklärte, er sei in dieser Sache schon dreimal betrogen worden, und deshalb Beweise für den Exitus seiner Frau verlangte, hatte das im Bahnhof postierte Sondereinsatzkommando genug gehört und verhaftete den ehemaligen Bauminister wegen versuchter Anstiftung zum Mord.
Die Motive Wolfs sind unklar. Möglich, dass er sich bloss an seiner Frau rächen wollte, die er für den Selbstmord seiner jungen russischen Geliebten Oksana Kusnezowa verantwortlich macht. Wolf hatte sich 1995 Hals über Kopf in die attraktive 25-jährige Dolmetscherin verliebt, die er während einer Dienstreise in der Ukraine kennen lernte. Er wollte Oksana heiraten und nach Deutschland holen, doch Ursula Wolf weigerte sich, der Scheidung zuzustimmen. Ohne Scheidung keine neue Ehe, ohne Ehe keine Aufenthaltsbewilligung für Oksana, weshalb es unmittelbar vor dem Selbstmord zwischen den beiden Frauen zu einer handfesten Auseinandersetzung kam. Nach der Darstellung Ursula Wolfs handelte es sich dabei um den ersten Mordversuch: Die junge Russin habe sie mit jener Pistole erschiessen wollen, mit der sie sich anschliessend im Badezimmer Wolfs selbst richtete.
Möglich ist aber auch, dass es Jochen Wolf schlicht um Geld ging: Er hatte stets über seine Verhältnisse gelebt, am Ende wurde sein Lohn bis aufs Existenzminimum gepfändet. Der Exminister lief in abgewetzten Kleidern herum und beklagte sich ständig über horrende Unterhaltszahlungen – nach dem Tod seiner Frau hätte er eine satte Lebensversicherung kassieren können.
Je mehr Einzelheiten aus dem Leben des ehemaligen DDR-Bürgers Jochen Wolf bekannt werden, desto unbegreiflicher wird es, dass so ein Mann Minister werden konnte und in Brandenburg sogar als möglicher Ministerpräsident im Gespräch war. Seine ehemaligen Mitarbeiter schildern ihn als ständig überforderten Choleriker, seine ehemaligen Frauen zeichnen das Bild eines gewalttätigen Despoten. Wolfs erste Frau Kristina konnte es deshalb kaum fassen, als sie nach der Wende im Fernsehen die steile Karriere ihres verflossenen Gatten verfolgte, der sie in den Sechzigerjahren an den Haaren durch die Wohnung gezerrt und noch im achten Monat ihrer Schwangerschaft verprügelt hatte.
Ehefrau Nummer zwei drehte in den Siebzigerjahren den Gashahn auf, Nummer drei reichte nach wenigen Wochen die Scheidung ein, und Nummer vier wollte Wolf nach siebzehn Ehejahren per Auftragsmord aus seinem Leben verbannen.
Beruflich führte Jochen Wolf in der DDR ein unauffälliges Leben als Kaufmann in verschiedenen staatseigenen Betrieben. Politisch fiel er nie auf, freiwillig verpflichtete er sich als Offizier bei der Nationalen Volksarmee und liebäugelte zwecks Karrierebeschleunigung auch mit dem Eintritt in die DDR-Staatspartei SED. Seinen Drang zur Opposition entdeckte er erst kurz vor der Wende, als Opponieren nicht mehr besonders gefährlich war. Wolf schloss sich im Herbst 1989 den Gründern der DDR-SPD an und wurde dafür von der letzten demokratisch gewählten DDR-Regierung mit dem Amt des Regierungsbevollmächtigten für den damaligen DDR-Bezirk Potsdam belohnt.
Auf diesem Weg rutschte Wolf Ende 1990 fast automatisch in das erste Kabinett von SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe. Die Berufung Wolfs erwies sich rasch als Missgriff, dennoch zögerte Stolpe, seinen Bauminister zu entlassen. Drei Jahre später löste Wolf das Problem selbst, er stolperte über seine Geldgier: An der nobelsten Adresse Potsdams wollte er sich ein Haus bauen und liess sich das Grundstück von einem ehemaligen hohen Stasi-Mitarbeiter günstig vermitteln, dem er dafür im Gegenzug die Umwandlung von Ackerland in Bauland versprach.
Anschliessend versuchte sich Wolf als Unternehmer. Als seine Managementfirma zwei Jahre später in die Pleite rutschte, klagte er sich in den Staatsdienst zurück. Das Land Brandenburg musste den abgehalfterten Minister im Range eines Abteilungsleiters weiter beschäftigen, Wolf wurde Chef der Bescheinigungsstelle für Energieleitrechte im Wirtschaftsministerium. Dort bekam er fürs Sammeln, Ausfüllen und Abheften von Anträgen ein stolzes Monatsgehalt von 10’000 Mark.
Nach der Verhaftung und dem Geständnis brach Jochen Wolf zusammen. Er schnitt sich mit einer Rasierklinge die Pulsadern auf, konnte aber in letzter Minute gerettet werden. Anschliessend widerrief er sein Geständnis, seither hüllt er sich auf Anraten seines Anwaltes in Schweigen.
Doch die Beweislage ist erdrückend, auf Anstiftung zum Mord stehen 15 Jahre Gefängnis. Jochen Wolfs Leben ist verpfuscht – das Wirtschaftsministerium will ihn fristlos entlassen. Und Hollywood wird sich auch nicht melden.