Lächelnder Taktierer

Lächelnder

Abgang mit Kalkül: Jörg Haider tritt als FPÖ-Parteichef zurück, weil er als Kanzler wiederkommen möchte.

Jörg Haider ist es gewohnt, alle Blicke auf sich zu ziehen. Doch der Montagabend in einem Wiener Hotel war zweifellos ein Höhepunkt seiner politischen Karriere. Schon Stunden zuvor war eine grosse Erregung durchs Land gegangen. Haider würde zurücktreten, hiess es, und jene Parteifreunde, die sich zum engsten Zirkel zählen dürfen, wiegten bedächtig den Kopf und sagten, das könne schon sein.

Als Haider dann endlich vor die Journalisten trat, begründete er seinen Rückzug als «Dienst am Land» und an seiner Partei. Es war ein heroischer Auftritt, der nur durch das freche haidersche Grinsen etwas konterkariert wurde. Der jüngste freiheitliche Minister in der Regierung, der 31-jährige Karl-Heinz Grasser, sprach von einer «noch nie dagewesenen Uneigennützigkeit». Wenige versierte Funktionäre trugen allerdings bestürzte Mienen zur Schau, wie man sie von allein gelassenen Kindern kennt.

Haider stellte dann aber klar, dass es sich bloss um einen strategischen Rückzug handelt. Er werde in Zukunft eine Art Aufsichtsratspräsident der FPÖ darstellen, sagte er, und er wolle nach wie vor Bundeskanzler werden. Seine Stelle wird die 39-jährige Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer einnehmen. Die ehemalige Haider-Sekretärin und Pressesprecherin hat die Geschäfte immer brav und verlässlich geführt. Sie war immer zur Stelle, wenn Haider sie brauchte. Riess-Passer ist eine umgängliche Politikerin, deren ganzes Zielstreben sich bisher darin erschöpfte, Haiders Politik zu rechtfertigen und dabei manchmal auch die grobe Arbeit auf sich zu nehmen, was ihr den internen Spitznamen «Königskobra» eintrug.

Die Entscheidung war am vergangenen Wochenende gefallen.

Wer mit Haiders politischer Karriere vertraut ist, ahnte schon seit Tagen, dass etwas in der Luft lag. In Pressekonferenzen erlebte man einen nervösen, müden Parteiobmann, dessen Adern an den Schläfen deutlich hervortraten. In der grössten Kärntner Tageszeitung, der «Kleinen Zeitung», war ein offener Brief erschienen, in dem Haider aufgefordert wurde, seinen Job als Landeshauptmann ernst zu nehmen und nicht dauernd im Ausland herumzureisen.

Die konservative Aussenministerin Benita Ferrero-Waldner bat ihre europäischen Amtskollegen, «nicht auf den Herrn Haider in Kärnten» zu hören, was Haider sofort veranlasste, mit der Rede von der «Fehlgeburt» des Euros wieder in die internationalen Schlagzeilen zu kommen. Daheim raunzten seine Minister, weil sie nach parteiinterner Regel nicht mehr als 7000 Franken netto im Monat verdienen sollten. In Wien demonstrierten 200 000 Menschen gegen Haider und seine Partei. Vor allem aber hatte sich Haiders Entschuldigungstour durch die halbe Welt zu einem Debakel entwickelt.

Jener Politiker, der sich nicht gern «dem Zuruf der politisch Korrekten», wie er sagt, «unterwirft», präsentierte sich in Interviews mit den grössten amerikanischen Fernsehstationen, ganz gegen seine Natur, als Unschuldslamm. Leider habe er in der Schule nichts gelernt über die Hitler-Zeit, erzählte er dem ABC-Reporter. Erst mit dem Besuch des Holocaust-Memorials in Washington sei ihm ein Licht aufgegangen.

Besonders demütigend muss Haider die Reise nach Kanada erlebt haben. Israel Lowen, der Rabbiner der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Montreal, war peinlich berührt, als sein Gratulationsschreiben zum 50. Geburtstag von Haider in der Öffentlichkeit bekannt wurde. Auch von der Einladung zur Hochzeit einer nahen Verwandten wollte er auf Grund der Proteste plötzlich nichts mehr wissen.

Er lehnte es ab, Haider zu treffen, und stellte dann doch einen Termin im Morgengrauen in Aussicht. Der wäre um vier Uhr früh gewesen, was Haider allerdings dankend ablehnte. Die Mitarbeiter des Holocaust-Museums im Montreal weigerten sich nicht nur, Haider durch die Ausstellung zu führen, sondern stellten Wachen auf, um ihn am Eintritt zu hindern. Eine viel versprechende Einladung eines jüdisch-orthodoxen Hoteliers musste Haider am Ende auf Heller und Pfennig bezahlen. Auch das Medieninteresse hielt sich in Grenzen.

Wenn man will, kann man einen roten Faden in Haiders persönlicher und politischer Entwicklung entdecken, ein Segment, das hypertroph geworden ist und das den grossen Rest hat absterben lassen. Eine Charaktereigenschaft, die all das, was er tut, bis ins Kleinste kennzeichnet: Es ist der kindische und potenziell gefährliche Drang, immer und überall der Erste, der Beste zu sein, mehr geliebt und gefürchtet zu werden als andere.

Haider gibt sich gern als Outlaw, der gegen die Etablierten angetreten ist. Er sieht sich auch gern als ein Opfer der Umstände, so dass er sich bereits wie ein «Kurde», ein «Palästinenser» oder gar wie ein «Jude» behandelt gefühlt hat. Doch die Mauer der Ablehnung, gegen die er in den vergangenen Wochen anrannte, ist wohl auch ihm zu hoch geworden. Möglicherweise verbindet sich mit dem strategischen Rückzug die trügerische Hoffnung, die Lage würde sich beruhigen, wenn er nur noch als Landeshauptmann von Kärnten auftrete. Doch sein Wort wird, auch ohne den Titel eines Parteiobmanns, weiterhin als einziges in der FPÖ Gewicht haben. Die Partei wird nach seiner Pfeife tanzen, solange Haider Erfolg beim Wähler hat.

Auch das könnte seine Entscheidung, sich nicht an vorderster Front mit vermutlich unpopulären Massnahmen der Regierung identifizieren zu müssen, beflügelt haben. Er sei, sagte Haider einmal in einer Bierzeltrede, lieber ein Wolf im Schafspelz als ein Schaf im Wolfspelz. So sollte er nun auch gesehen werden.

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