Die Bestandteile unseres Volkskörpers
Aus dem Anatomie-Büchlein der Wemf
ras . Wer schon immer zu wissen begehrte, aus welchen Gliedern der Schweizer Volkskörper besteht, sollte jetzt die Website der AG für Werbemedienforschung konsultieren. Unter der Adresse www.wemf.ch, Abteilung MACH Consumer 2001, wird er aufgeklärt über die guten und weniger guten Mitglieder unserer Konsumwelt. Selbstverständlich verstecken sich die Medienmediziner des dritten Jahrtausends nicht mehr hinter dem elitären Jargon der alten Griechen und Römer, sondern sie haben auf gemeinverständliche Weise die Kategorien dem Volk vom Maul abgelesen. Danach gibt es also «Fun-loving Adventurers», «Down-to-earth Pragmatics», «Creative Activists», «Value-minded Idealists», «Good-old- days Keepers», «Materialistic Success Seekers», «Tolerant Caretakers» und «Open-minded Explorers». Diese Typen sind, so haben die konsumwirtschaftlichen Chirurgen herausgefunden, in fast gleich grossen Stücken abtrennbar. Jeder von ihnen wiegt zwischen 11 und 14 Prozent des Volksvollgewichts.
Leicht übergewichtig sind mit je rund 14 Prozent die «Down-to-earth Pragmatics», die «Fun- loving Adventurers» und die «Open-minded Explorers». Bei der ersteren Art handelt sich offenbar um verstockte, nüchterne und bodenständige Wesen männlicher Ausrichtung, die zwar fach- und berufsspezifisch abgerichtet worden sind, aber zu wenig konsumieren und nach der Arbeit insbesondere vor dem Fernseher, beim Zeitunglesen oder am Stammtisch zu beobachten sind. Diese freizeitgesellschaftlichen Tugenden brechen meist nach dem 40. Lebensjahr aus.
Die zweite, ebenfalls männliche Art (14- bis 39-jährig) denkt leider nicht an die Zukunft, wirft das Geld aus dem Fenster hinaus – was die Anbieter von Luxuswaren freuen könnte -, vernachlässigt trotz höherer Bildung die Zeitungslektüre und die Bioläden, haust gerne alleine und verliebt sich in schnittige Karossen. Im Übrigen dürfte diese «Fun-loving»-Gruppe der dritten, den «Open-minded Explorers», hinterherjagen. Letztere versammelt nämlich jüngere, ungebundeneWeibchen, die allerdings zu wenig Kalorien, Zigaretten und Alkohol konsumieren, dafür aber anBlech in autosportlicher Ausführung Gefallen finden. Trotzdem sollte man(n) diesen Explorers vorsichtig begegnen, denn sie legen sich gemäss der Wemf-Anatomie-Broschüre nicht gerne fest, halten sich am liebsten alle Optionen offen.
Einem Zwang zur Versöhnung unterliegen die «Creative Activists», 14 bis 29 Jahre alt und weiblich. Als gut ausgebildete und gut bezahlte Singles mildern sie, so heisst es, die «harten, egoistischen Kanten des Hedonismus» durch «altruistische Orientierungen». Da sie aber auch hungrig nach Selbstverwirklichung sind, bevorzugen sie gesunde Ernährung, Zigaretten und Alkohol, aber nicht die Autofetischisten. Gegenüber Marken verspüren sie allerdings zu wenig Loyalität.
Erschreckend widerborstig gegenüber der Konsumwelt verhalten sich die «Value-minded Idealists», Frauen ab 30 mit hohem Bildungsniveau und mässigem Einkommen. Sie verachten fast alles, das heisst: Technik, Autos, Zigaretten, Alkohol, Sparbüchlein und Versicherungspolicen; siebeachten nur anspruchsvolle Kinofilme, wurmstichige Bioäpfel und einsame Touristeninseln.
Bedeutend mehr Gespür für eine stabile Geld- und Wirtschaftspolitik haben die «Tolerant Caretakers», nicht erwerbstätige Frauen ab 40. Sie schätzen Sparschweine, Sonderangebote, Marken, Versicherungen, Heimat, Gesetz und Ordnung, das Auto indessen nur als Fortbewegungsmittel. Sie müssten sich eigentlich wohl fühlen in Gesellschaft der «Good-old-days Keepers», von Männern ab 50 Jahren, die Heim und Herd pflegenund «mit sich und der Welt im Reinen» sind. Unerfreulich ist allerdings, dass diese Spezies «ausser dem regelmässigen Prüfen des Körpergewichts» und dem Briefmarkensammeln nichtsBesonderes für die Gesundheit und die entsprechende Industrie tut.
Etwas gesünder leben sollten offenbar auch die 14- bis 29-jährigen «Materialistic Success Seekers», die Videos anschauen, mit der Computertastatur surfen, «sehr sportlich» mit dem Auto durch die Gegend brausen und das hohe Gehalt für Prestigeobjekte verpulvern. Da diese Karrieristen trotz ihrer «gewissen Leichtfertigkeit beim Geldausgeben» durchaus mit dem Sparschwein liebäugeln, besteht die Hoffnung, dass sie mit fortschreitendem Alter zu «Good-old-days Keepers» heranwachsen und «nüchtern-rational» statt «impulsiv-spontan» einkaufen. – Ob die aktuellsten Ereignisse diese Volkstypologie nachhaltig erschüttert haben, darüber soll hier indessen nicht spekuliert werden.