Dani Fohrler und Dani Nieth: Tempo statt Tiefe
Quasseln über Bier und Sex: Dani Fohrler und Dani Nieth machen mit ihren Schweizer Talkshows Fernsehen für Zapper.
–: Herr Fohrler und Herr Nieth, Sie sind direkte Konkurrenten, aber etwas verbindet Sie: Beide geben sich ziemlich «gspürig».
Dani Nieth: Wir geben uns nicht so, wir sind es.
Dani Fohrler: Absolut. «Gspürig» zu sein ist eine Voraussetzung für unseren Job.
–: Roger Schawinski behandelt seine «Talk täglich»-Gäste alles andere als «gspürig» – zum Gaudi des Publikums.
Nieth: Er holt damit vor allem abends um halb zehn Zuschauer. Müsste er schon am Vorabend ums Publikum kämpfen, würde er seinen Stil wohl überdenken.
Fohrler: Hauptsache, er ist sich selbst. Nieth: Auch mir wurde gesagt, ich solle härter sein. Da antwortete ich: Sorry, das bin ich nicht. Ich werde nicht zum Ekel, nur weil Ekel gut ankommen.
Fohrler: Betrachten Sie von mir aus «gspürig» als negativ – ich bleibe so.
–: Weil das Publikum es wünscht?
Fohrler: Ich denke schon, dass die Schweizer feinfühlige Menschen sind.
–: Oder wollen Sie uns sagen, dass Ihre Gäste Sie sogar interessieren?
Nieth: Ja, kürzlich hatte ich Nella Martinetti zu Gast. Beim Start unserer Sendung habe ich gesagt: Die kommt mir nie ins Haus, da kann man nichts Neues sagen. Aber während der Recherche begann sie mich doch zu interessieren.
Fohrler: Ich würde keine Prominenten-Talks machen wollen. Da hätte ich das Gefühl, die ewig gleichen Gesichter hängen den Leuten zum Hals raus.
Nieth: Die Leute schauen halt gern bei Simon Estes in die gute Stube.
Fohrler: Aber es ist eine fremde Welt, eine Glamourwelt. Die Zuschauer können nichts für ihr eigenes Leben herausholen.
–: «Fohrler live» setzt ebenfalls auf banale Stoffe, wie «Ich und mein Bierbauch».
Fohrler: Solche Themen interessieren immer wieder. Es gibt etwa zweihundert Stoffe, die in allen Talkshows regelmässig vorkommen.
–: Eben, was Sie beide machen, ist steinalt. Das gibts schon massenhaft.
Fohrler: Nicht in der Schweiz.
–: Aber auf hiesigen Bildschirmen.
Nieth: Mit anderen Menschen. Es ist ein grosser Unterschied, ob ein Gummifetischist aus Hannover kommt oder aus Ennetbaden, wie in «Fohrler live».
Fohrler: Die Sprache, die Art, wie man redet und streitet – das macht einen enormen Unterschied. Wir zeigen Lebens-geschichten, anhand derer die Zuschauer für ihren Alltag etwas herausholen.
–: Trotzdem, der Stil Ihrer Talks stammt aus der Privatfernseh-Steinzeit. An Margarethe Schreinemakers erinnert man sich schon fast nicht mehr.
Nieth: Die Formate haben sich entwickelt. Wir legen niemandem mehr die Hand aufs Knie mit Tränen in den Augen.
Fohrler: Natürlich sind unsere Themen nicht weltbewegend, aber es sind die gleichen, die Sie selbst diskutieren, wenn Sie mit Ihren Kollegen ein Bier trinken. Dann reden Sie auch über Sex oder Beziehungen, und Sie werden in zehn Jahren noch darüber reden.
–: Ach? Fehlen bloss noch Fussball und Autos.
Fohrler: Fussball hatte ich soeben als Thema in der Sendung.
–: Interessiert Sie das? Man könnte über Gescheiteres quatschen.
Fohrler: Ich hatte nie den Anspruch, eine intellektuelle Sendung zu machen. Ich behandle Alltägliches und möchte dabei auch Spass haben. Aber ich kann mir nicht vorstellen, das zehn Jahre lang zu machen.
Nieth: Das hat Hans Meiser schon vor Jahren gesagt – und ist immer noch da.
Fohrler: Keine Ahnung, wie er das schafft. Der Job raubt sehr viele Kräfte.
Nieth: Stimmt. Hier liegt ein weiterer Unterschied zu «Talk täglich». Roger Schawinski hat eine These, stellt den Gast in die Ecke und watscht ihn 25 Minuten lang. Wir aber müssen uns jedesmal enorm einarbeiten, um neue Facetten des Gastes aufzuzeigen. Wir haben ethische Grundsätze für unsere Sendung.
–: Qualitätsfernsehen?
Nieth: Bestimmt.
–: Was wird daraus, wenn einmal sinkende Quoten nach mehr Aggressivität verlangen?
Nieth: Man muss nicht Zoff suchen, um Tempo zu machen. Das geht auch durch rasche, überraschende Themenwechsel.
Fohrler: Genauso funktioniert unser Muster, wir lassen alle paar Minuten einen neuen Gast herein. Dies entspricht dem Zapp-Verhalten des Publikums.
–: Tempo statt Tiefe?
Fohrler: Hat jemand gesagt, dass «Daily Talks» Tiefe benötigen?
Nieth: Tempo statt Tiefe, richtig. Das widerspricht nur auf den ersten Blick der Qualität. Man kann auch mit Vielfalt Qualität schaffen.
Fohrler: Ich versuche, ein gewisses Niveau zu halten, selbst bei Themen unter der Gürtellinie.
Nieth: Was heisst das?
Fohrler: Zum Beispiel bei der Sprache.
Nieth: Deiner Sprache?
Fohrler: Klar. Meine Gäste können reden, wie sie wollen.
Nieth: Ist doch schön für dich, wenn einer voll primitiv daherschwatzt.
Fohrler: Selbstverständlich.
–: Aber Sie selbst sagen «beischlafen» statt «bumsen»?
Fohrler: Je nachdem sage ich «bumsen». –: Soviel zum sprachlichen Niveau. Gibts auch inhaltliche Grenzen?
Nieth: Ich habe ethische Grundsätze. Ich spreche Nationalrätin Vreni Spoerry nicht zum Unfalltod ihres Sohnes an, um Emotionen zu wecken. Ich suche einen anderen Zugang zu einer Persönlichkeit.
–: Sie sprechen mit Frau Spoerry lieber über Finanzpolitik?
Nieth: Ich würde sie fragen, was sie mit all dem Geld aus den Verwaltungsratsmandaten macht.
Fohrler: Tod von Teenagern wäre dagegen ein Thema in meiner Sendung.
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–: Das ist Voyeurismus pur. Sie missbrauchen die Gäste.
Fohrler: Überhaupt nicht. Jeder, der
zu mir kommt, ist ein erwachsener Mensch und weiss, was ihn erwartet. Durch ihre Unterschrift bekunden die Gäste ihre Bereitschaft, in der Sendung mitzumachen.
–: Aber sie haben keine Ahnung, wie sie das Fernsehen blossstellt.
Fohrler: Meine Gäste machen nur positive Erfahrungen in der Sendung.
–: Zum Beispiel?
Fohrler: Dicke Frauen nehmen nach ihrem Auftritt erfolgreich ab.
Nieth: Aber erst holt ihr sie vor die Kamera, weil sie dick sind.
Fohrler: Du lädst auch Nella Martinetti in deine Sendung.
Nieth: Nur wegen ihrer menschlichen Qualitäten. Zudem ist sie den Umgang mit Medien gewohnt.
Fohrler: Bei Problemfällen, etwa Drögelern, bieten wir eine Nachbetreuung.
–: Was heisst das?
Fohrler: Wir helfen beispielsweise bei der Stellensuche.
–: In Deutschland ist es schon so weit, dass psychologische Behandlungen für Talkshow-Opfer angeboten werden.
Fohrler: Dort gehts auch anders zu. Bei uns gibts keine Opfer. Wer zu mir kommt, will sich vor der Kamera produzieren …
–: … und fällt genau damit herein.
Nieth: Die Leute werden nicht vor sich selber geschützt.
Fohrler: Ach, was! Zu mir kommen doch keine geistig Behinderten. Einzelne Menschen berühren mich sehr, kürzlich musste ich sogar eine Träne verdrücken.
–: Und?
Fohrler: Ich habe mich beherrscht.
–: Sie haben eine weitere Gemeinsamkeit: Über beiden schwebt das Damoklesschwert der plötzlichen Absetzung.
Nieth: Das wäre zwar Pech, anderseits frisst mich der Job auf, ich könnte wieder mal Ferien gebrauchen. Eine Absetzung von «KlarText» ist sowieso kein Thema.
Fohrler: Mein Vertrag dauert ein Jahr.
Nieth: So lange?
Fohrler: Und ich will ihn erfüllen. Aber ich habe keine Alpträume wegen eines vorzeitigen Schlusses.
Nieth: Wir verbessern die Sendung immer wieder mit kleinen Veränderungen.
Fohrler: Mich freuts, dass wir seit dem 6. September nichts ändern mussten. In unserm Business ist das eine Ewigkeit.
Nieth: Wir hatten zu grosse Schwankungen bei den Quoten und mussten die Sendung schneller machen – schon wegen der Werbewirtschaft.
–: Um die gehts: Sie machen einen Talk rund um die Werbeblöcke …
Nieth: … und Sie schreiben bei – rund um die Inserate. Schliesslich wollen die Investoren Geld sehen.
–: Der eine von Ihnen ist laut «Blick» ein «Aufsteiger» des letzten Jahres, der andere ein «Absteiger». Woher der Unterschied?
Nieth: Der «Blick» mag Dani Fohrler, mich mag er nicht. Wichtiger ist das Publikum. «KlarText» hat zwei- bis dreimal mehr Marktanteil als «Fohrler live». Nur interessiert das den «Blick» nicht.
–: Wie kommt das?
Nieth: Keine Ahnung.
Fohrler: Wenn es ein Rezept für Beliebtheit gäbe, würde es jeder befolgen.
Nieth: Ich polarisiere vielleicht stärker. Über Dani Fohrler macht die «Schweizer Illustrierte» eine fünfseitige Homestory.
Fohrler: … und jetzt siehts aus, als ob ich all die Journalisten kennen würde. Ist aber nicht der Fall.
–: Sie hatten auch einen unterschiedlichen Start. Bei RTL/Pro 7 musste Dani Nieth als Erstes das eingesessene Publikum verärgern – bei TV3 hatte Dani Fohrler einen langsamen Einstieg.
Nieth: Wir unterschätzten tatsächlich, dass wir den Leuten etwas wegnehmen mussten: die «Simpsons» und «Eine schrecklich nette Familie». In dieser Wunde wühlen die Medien heute noch. Wir sind als die Bösen gestartet.