Bundesrat will den Umgang mit Behörden digitalisieren

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Eingaben an Bundesbehörden und das Bundesgericht sollen in Zukunft auch per E-Mail möglich sein. Die Eröffnung von Entscheiden soll künftig ebenfalls elektronisch erfolgen können. Die beiden Neuerungen sind Teil der Justizreform, zu der der Bundesrat Ende Februar eine Botschaft vorgelegt hat.

In Sachen E-Government ist die Schweiz keine Bananenrepublik. Die Behörden unterhalten im Internet ein grosses Angebot an elektronischen Informationen. Auch ist – wenigstens beim Bund – jeder Mitarbeiter per E-Mail erreichbar, Bundesräte eingeschlossen. Geht es aber um «offizielle» Eingaben an Behörden oder um die Mitteilung von Entscheiden jener Amtsstellen, so musste bisher oft auf die traditionellen Mittel der Kommunikation zurückgegriffen werden. Ausnahmen wie das Bundesamt für Kommunikation, das Konzessionen per Internet versteigert, das Institut für Geistiges Eigentum mit einer versuchsweisen elektronischen Markenanmeldung seit Februar oder die Kartoffelverordnung, die schon 1998 Gesuche an Behörden auch per E-Mail zuliess, bestätigen die Regel.

Umso grösser erscheint der Schritt, den der Bundesrat jetzt im Rahmen der Justizreform wagt: Im geplanten Bundesgerichtsgesetz (NZZ vom 2. 3. 2001) soll jedermann Eingaben an das Bundesgericht künftig auch elektronisch* vornehmen dürfen. Umgekehrt sollen Entscheide onlinerechtsverbindlich eröffnet werden können. Dasselbe soll für das Verfahren mit Bundesbehördengelten, das heute schon im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG) geregelt ist, aber bisher in wichtigen Punkten Schriftlichkeit verlangte. Das verhinderte – wenigstens für Eingaben und Verfügungen – den Einsatz zum Beispiel von elektronischer Post. Zudem sollen Beweismittel, diebisher auf Papier vorzulegen waren, auch als elektronische Kopien akzeptiert werden, sofern deren Echtheit nicht bestritten wird.

Einsparungsmöglichkeiten

Das Bundesgericht hatte sich bisher mit Verweis auf eine fehlende gesetzliche Grundlage geweigert, unterzeichnete Rechtsschriften auch nur per Telefax zuzulassen, was etwa die Einhaltung von Fristen stark vereinfacht hätte. Die neuen Vorschriften – sollten sie vom Parlament akzeptiert und umgesetzt werden – sind ein grosserSchritt nach vorne. Abgesehen von der Möglichkeit, Fristen besser ausnutzen zu können, versprechen sie wirtschaftliche Vorteile und erhöhte Flexibilität.

Das gilt nicht nur für die Kommunikation mit dem Bundesgericht, sondern ebenso für den Verkehr mit Verwaltungsbehörden, der schneller und effizienter abgewickelt werden kann. Denn wo Papierdokumente versandt werden, müssen diese zuerst jeweils für teures Geld vervielfältigt werden; ihr Versand benötigt oft mehrere Tage, und verloren gehen können sie auch. Kommt eine E-Mail nicht an, kann sie per Knopfdruck erneut übermittelt werden. Liegen die Dokumente eines Verfahrens elektronisch vor, können sie auch innerhalb der Behörde wirtschaftlicher verarbeitet werden. Ähnliche Argumente sprechen auch für die neu vorgesehene Möglichkeit, dass Behörden ihre Entscheide den Betroffenen auf elektronischem Weg «eröffnen» können. Diese erfahren somit rascher davon, und die Behörde hat einen geringeren Aufwand.

Digitale Signatur für Sicherheit

Eine solche Lösung birgt aber auch Gefahren. Von elektronischen Daten können unerlaubte Kopien rascher und leichter erstellt werden als von umfangreichen Papierdossiers. Auch das Risiko, dass Hacker an heikle Daten gelangen, steigt. Vor allem aber muss zusätzlich sichergestellt werden, dass die Sendungen während derÜbermittlung nicht verändert wurden und die angegebenen Absender tatsächlich dafür verantwortlich sind. Gelöst wird dieses Problem dadurch, dass die elektronischen Dokumente mit einer digitalen Signatur versehen sein müssen, einer Art elektronischem Siegel, das nur der Inhaber eines privaten Signierschlüssels erzeugen,aber jeder Empfänger mit einem zweiten, öffentlichen Schlüssel überprüfen kann.

Dasselbe Verfahren soll nach einer anderen, im Januar vorgestellten Gesetzesvorlage des Bundes auch im Vertragsrecht zum Ersatz der eigenhändigen Unterschrift eingeführt werden. Damit ein Siegel rechtsverbindlich sein kann, muss es von einer Zertifizierungsdienststelle beglaubigt werden; bis zur Einführung des Bundesgesetzes über die elektronische Signatur (BGES) soll dies die Zertifizierungsdiensteverordnung (ZertDV) regeln, die seit Mai 2000 gilt. Der Gesetzesentwurfdes Bundesrates zur Einführung von elektronischen Behördeneingaben und -entscheiden sieht denn auch vor, dass diese nur dann gültig sein sollen, wenn sie mit einer staatlich anerkannten Signatur versehen sind, also mit einem Zertifikat gemäss ZertDV oder BGES.

Vermutlich dürfte bis zum Inkrafttreten der nicht unumstrittenen Justizreform das BGES aber schon in Kraft sein, weshalb wohl darüber nachgedacht werden sollte, die neuen Bestimmungenüber den elektronischen Behördenverkehr nötigenfalls in den «Schnellzug» der BGES-Vorlageumzuladen, denn diese dürfte auf weniger Widerstand stossen als die Justizreform. Die BGES-Botschaft soll vom Bundesrat im Sommer herausgegeben und im Herbst in den Räten beraten werden, um frühestens im ersten Halbjahr 2002 in Kraft treten zu können. Der Entwurf zum BGES enthält bereits einige Bestimmungen zum elektronischen Verkehr mit gewissen staatlichen Registern.

Elektronische Verfügung als Knacknuss

Ein anderes Problem des elektronischen Behördenverkehrs ist die Kontrolle der Einhaltung der Fristen. Für die postalische Zustellung ist es mit dem Poststempel gelöst. Im Falle von E-Mails will der Bundesrat einen anderen Weg beschreiten. Nicht das Absendedatum soll relevant sein,da es manipuliert werden kann. Auch das Empfangsdatum der Behörde ist nicht geeignet, da der Absender darauf keinen Einfluss hat. Genügen soll stattdessen der rechtzeitige Eingang auf dem Computersystem der «offiziellen Adresse» der Behörde. Darunter ist ein Intermediär zu verstehen, der ebenfalls eine Bundesbehörde sein kann, der den Erhalt der Post sofort bestätigt und sie an die betreffende Behörde auf deren «Risiko» weiterleitet. Die Vollständigkeit der Übertragung kann beispielsweise durch eine Überprüfung der Signatur sichergestellt werden.

Etwas schwieriger ist die Feststellung des Zeitpunkts der Mitteilung von Entscheiden; der Zeitpunkt ist wichtig, weil sich nachfolgende Fristen danach berechnen. Die Gesetze selbst liefern hier keine Lösungsansätze. Das soll im Hinblick auf die rasche technische Entwicklung in separaten Reglementen des Bundesrats und des Bundesgerichts geregelt werden. Als eine möglicheLösung präsentiert der Bundesrat in seiner Botschaft ein System, bei dem der Betroffene aufComputern der Behörde ein eigenes Postfach einrichtet. Wird der von der Behörde digital signierte Entscheid dort abgerufen, kann dies protokolliert werden. Der Abruf gilt zugleich als Zustimmung zu einer elektronischen Eröffnung, die selbstredend freiwillig bleibt.

Der Empfänger muss den Entscheid elektronisch aufbewahren, um ihn in weiteren Verfahren verwenden zu können; dass die weitere Verwendung in «beglaubigter» Form nur noch elektronisch möglich sein wird, könnte die Attraktivität der neuen Regelung schmälern. Die Detailregelungen könnten eine auf Wunsch nachgereichte schriftliche Verfügung vorsehen, was aufdem Weg zum E-Government freilich ein Rückschritt wäre. Findet binnen einer bestimmten Zeit kein Abruf der elektronischen Fassung statt, so wird der Entscheid auf gewöhnlichem Weg schriftlich zugesandt werden müssen, damit er seine Rechtswirkung entfalten kann.

Bewusst noch nicht geregelt wurde die Frage des Datenformats der Dokumente. Das hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Frage der Fristen: Ist das Format nicht definiert, könnte eine Person versucht sein, noch innerhalb der Fristen eine für die Behörde nicht lesbare Datei signiert einzusenden, um erst auf eine Reklamation hin das echte Dokument zu übermitteln; damit könnten Fristen faktisch erstreckt werden. Beilagen, das wird in der Botschaft im Übrigen festgehalten, sollen auch online in ihrer rein elektronischen Form übermittelt werden können, sofern sie digital signiert werden.

Regelungen primär für Profis

Es ist anzunehmen, dass «normale» Bürger diese neuen Möglichkeiten vorderhand kaum nutzen werden, obwohl sie dies dürften. Die Reform wird vor allem professionelle Anwender wie etwa Rechtsanwälte interessieren sowie Betriebe, die mit Bundesbehörden häufig kommunizieren. Der Aufwand, den eine Person für den elektronischen Behördenverkehr tätigen muss, erfordert zwar – im Gegensatz zu manchen ausländischen Lösungen – keine grossen Investitionen; es sollte handelsübliche Software eingesetzt werden können, und das System ist wenigstens auf Gesetzesstufe offen konzipiert. Wer sich aber nicht auf die spezifischen Eigenheiten des elektronischen Behördenverkehrs eingerichtet und damit angefreundet hat, wird für Eingaben zweifellos weiterhin zum Papier greifen. Spannend wird es sein zu beobachten, welche Auswirkungen die neuen Regelungen innerhalb der Behörden zur Folge haben.

Die vorgeschlagenen Regelungen sind also zunächst nur für einen eingeschränkten Benutzerkreis interessant, sie gelten zudem nicht für den Behördenverkehr in kantonalen Angelegenheiten, und auch den Bundesbehörden wird eine Frist von bis zu zehn Jahren eingeräumt, um die nötige Infrastruktur, das Wissen und wohl auch die Akzeptanz aufzubauen. Trotzdem haben die Regelungen in Sachen E-Government Signalcharakter.

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